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Nachhaltiger Konsum
"Eine abwechslungsreiche Ernährung lässt sich in vielen Monaten auch mit saisonalen und regionalen Produkten verwirklichen, wenn wir bereit sind, uns stärker mit der Vielfalt regionaler Gemüse- und Obstsorten und neuen Möglichkeiten der Zubereitung zu beschäftigen", versichert Martina Schäfer Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums Technik und Gesellschaft der TU Berlin. | Foto: Landtag Brandenburg

Nachhaltiger Konsum

23. Juli 2020

Im Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer, Diplom-Biologin, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums Technik und Gesellschaft der TU Berlin

Dass der Klimawandel existiert, wissen wir nicht erst seit gestern. Doch konnten wir ihn vor nicht allzu langer Zeit noch recht gut ignorieren – wegschauen, wenn wir ihn nicht sehen wollten. Jedes Jahr erreichen uns nun neue Meldungen über Hitzerekorde und Dürren. Diese Entwicklung kostete die Landwirte einige Erträge. Immerhin ein Gutes haben die Extremwetterlagen: Das Bewusstsein in der Gesellschaft für den Klimawandel ist im letzten Jahr enorm gestiegen. Immer mehr Menschen versuchen, sich umweltbewusster zu verhalten. Die BERLINboxx hat Martina Schäfer gefragt, was wir persönlich und als Gesellschaft ändern können und müssen.

Eines ist klar, je regionaler desto besser. Doch wäre es in Deutschland überhaupt möglich, alle Bundesbürger autark zu ernähren? Reichen die Anbauflächen aus?

Ob wir uns in Deutschland von unseren eigenen Flächen ernähren können, hängt vor allem davon ab, was wir essen und trinken. 2017/2018 betrug der Selbstversorgungsgrad Deutschlands fast 90 Prozent (top agrar 2018), was allerdings dadurch zustande kommt, dass wir neben vielen Importen auch viele flächenintensive Produkte wie Fleisch und Käse exportieren. Importiert werden dagegen viel Obst, Gemüse und natürlich Produkte wie Südfrüchte, Kaffee, Tee und Kakao, die hier aufgrund des Klimas nicht angebaut werden können.

Viele Flächen im Ausland werden insbesondere dadurch belegt, dass ein Großteil der Futtermittel für die deutsche Fleischproduktion importiert wird. Außerdem hat der massive Anbau von Energiepflanzen den Selbstversorgungsgrad deutlich verringert. Bei einer deutlichen Reduktion des Fleischkonsums – was auch aus gesundheitlichen Gründen empfehlenswert ist – und einer Einschränkung des Energiepflanzenanbaus wäre ein 100 prozentiger Selbstversorgungsgrad erreichbar. Allerdings würde dies weiterhin bedeuten, dass wir gewisse Lebensmittel, die in anderen Ländern besser wachsen, importieren und dafür andere exportieren.

Wir sind es gewohnt, abwechslungsreich zu essen und eine große Auswahl zu haben. In Berlin gibt es Restaurants aller Nationalitäten und wir kaufen Lebensmittel, die (bis jetzt) nicht in Deutschland angebaut werden können. Muss die Vielfalt auf dem Teller zu Kosten der Nachhaltigkeit sinken oder lässt sich ein

internationales Angebot im Supermarkt umweltfreundlich gestalten?

Ist unsere Ernährung wirklich so abwechslungsreich oder ist nicht eher zu beobachten, dass wir beim Urlaub in verschiedensten Ländern mittlerweile dieselben Restaurantketten und sehr ähnliche Angebote in den Supermärkten vorfinden? Und greifen wir nicht auch in der häuslichen Küche häufig das ganze Jahr über auf dieselben Rezepte zurück? - Eine abwechslungsreiche Ernährung lässt sich in vielen Monaten auch mit saisonalen und regionalen Produkten verwirklichen, wenn wir bereit sind, uns stärker mit der Vielfalt regionaler Gemüse- und Obstsorten und neuen Möglichkeiten der Zubereitung zu beschäftigen. Ein Wandel in Richtung Nachhaltigkeit wird mittelfristig zu höheren Energiepreisen führen, wodurch Lebensmitteltransporte eingeschränkt werden – und Erdbeeren im Winter oder der Genuss einer Mango echter Luxus werden, den man sich ab und zu, aber nicht regelmäßig gönnen kann.

Überall ploppen Alternativen zu Fleisch, Milch usw. auf. Ist dies ein kurzzeitiger Trend oder werden sich diese Lebensmittel auch dauerhaft durchsetzen? Und sind sie klimafreundlicher?

Die weltweite Reduktion des Fleischkonsums ist eine der Maßnahmen, die mit sehr vielfältigen positiven Nachhaltigkeitseffekten verbunden ist – weniger Flächenverbrauch durch den Anbau von Futtermitteln wie Soja in Monokultur, weniger Einsatz von Hormonen und Antibiotika in der Tierzucht, die teilweise im Grundwasser landen, weniger Produktion von hochbelasteter Gülle – die Liste der negativen Folgen intensiver Tierzucht ist lang, abgesehen von der nicht artgerechten Haltung der Tiere. Da sich immer mehr Leute der Nachteile intensiver Tierhaltung bewusstwerden, ist davon auszugehen, dass sich Alternativen zu Fleisch und Milchprodukten auch langfristig durchsetzen werden. Sie sind dann nachhaltiger, wenn die Rohstoffe hierfür vorrangig regional erzeugt werden, also Hafer- statt Sojamilch und Lupinen, Erbsen und Bohnen als Grundlage für Fleischalternativen.

Nachhaltige Produktion
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   "Wenn die gesellschaftlichen Kosten stärker internalisiert und auf die Preise umwelt- und klimaschädlicher Produkte aufgeschlagen werden, dann haben nachhaltiger produzierende Unternehmen faire Ausgangsbedingungen für einen Markterfolg", unterstreicht Schäfer. | Foto: Christopher Winkler auf Pixabay.

Es gibt einige Anbieter, die nachhaltig handeln und ihre Partner fair bezahlen wollen. Könnten diese Unternehmen je so groß werden, wie herkömmliche Unternehmen, die ihren Fokus nach strikten wirtschaftlichen Regeln auslegen – Kostenminimierung gleich Gewinnmaximierung?

Das hängt sehr stark von den Rahmenbedingungen ab. Wir alle wissen, dass die niedrigen Preise von konventionellen Lebensmitteln und anderen Billigprodukten nur möglich sind, weil viele Folgekosten, wie die Entfernung von überschüssigem Stickstoff und Pestiziden im Grundwasser, der Verlust an Biodiversität und der hohe CO2-Ausstoß der Gesellschaft etwa in Form von Steuern aufgebürdet werden. Deutschland erlaubt sich außerdem auch weiterhin Milliardenschwere Subventionen für nicht-nachhaltige Produktionsformen. Wenn die gesellschaftlichen Kosten stärker internalisiert und auf die Preise umwelt- und klimaschädlicher Produkte aufgeschlagen werden, dann haben nachhaltiger produzierende Unternehmen faire Ausgangsbedingungen für einen Markterfolg. Schon jetzt gibt es zahlreiche Unternehmen, die mit nachhaltigeren Produkten zu höheren Preisen sehr erfolgreich sind, weil sie die Vorteile gut kommunizieren und eine entsprechende Kund*innengruppe ansprechen.

Welche Innovation, die gerade noch in der Forschung steckt, weckt bezogen auf Nachhaltigkeit im Anbau/ Konsum, Ihre größte Hoffnung?

Hoffnungsvoll sind für mich all die Initiativen, bei denen Konsument*innen die Verantwortung für nachhaltigere Formen des Anbaus und ein transparenteres Miteinander zwischen Produzent*innen und Konsument* innen selber in die Hand nehmen. In Bürgeraktiengesellschaften wie der Regionalwert AG, Genossenschaften wie BioBoden und Geschäftsmodellen wie dem der Solidarischen Landwirtschaft übernehmen die Konsument*innen Mitverantwortung dafür, dass nachhaltiger produziert wird und regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut werden können. In der Forschung sollte ein größerer Fokus darauf liegen, wie weltweit standortgerechte Landwirtschaft durch möglichst weitgehende Kreislaufwirtschaft mit hohen Erträgen betrieben werden kann. (aak)