Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt beim VBKI
Von Eberhard Vogt, Chefredakteur BERLINboxx
Weltordnung in Unordnung
Er gilt als einflussreichster Berater des Kanzlers, der dessen volles Vertrauen genießt und seit zwei Jahrzehnten als dessen Problemlöser gilt: Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes. Auf Einladung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) gewährte der Jurist einen Blick hinter die Kulissen des deutschen Machtzentrums.
Seine politische Laufbahn begann der gebürtige Hamburger 2002 als persönlicher Referent, später Büroleiter des damaligen SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz. Er folgte Scholz als Büroleiter des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers zur SPD-Bundestagsfraktion und ins Ministerbüro des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Sieben Jahre arbeitete Schmidt als Staatsrat (= Staatssekretär) in der Senatskanzlei Hamburg und Bevollmächtigter beim Bund, bei der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten der Freien und Hansestadt Hamburg. Als Vorsitzender der deutschen Europaministerkonferenz war er für die Organisation des von massiven Ausschreitungen begleiteten G20-Gipfels in Hamburg 2017 mitverantwortlich. Mit dem Wechsel seines Mentors Olaf Scholz in die Bundesregierung wurde Schmidt zu dessen beamtetem Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen berufen. Er stand der Abteilung für finanzpolitische und volkswirtschaftliche Grundsatzfragen, internationale Finanz- und Währungspolitik sowie der Leitungsabteilung des Ministeriums vor. Zudem war er unter Scholz als Vizekanzler für die Koordinierung der sozialdemokratischen Ministerien in der Bundesregierung verantwortlich. Im Dezember 2021 folgte auf Vorschlag des Bundeskanzlers die Ernennung zum Chef des Bundeskanzleramtes im Range eines Bundesministers für besondere Aufgaben im Kabinett Scholz.
Ute Weiland, Geschäftsführerin des VBKI, führte souverän durch ein breites Themenspektrum, das neben Wirtschafts-, Energie- und Finanzpolitik auch internationale Sicherheitspolitik umfasste. Vehement verteidigte der Chef des Kanzleramtes den Standort Deutschland, der sich stärker zeigt, als von Populisten und Medien gern dargestellt wird. Deutschland sei ungeachtet der aktuellen Konjunkturschwäche mitnichten der „kranke Mann Europas“. Deutschland habe sich gut in der Energiekrise geschlagen und die düsteren Prognosen von Energieknappheit durch entschlossenes Gegensteuern überwunden. Die Inflation sinke auf 2,4 Prozent, und eine Rezession sei nicht in Sicht. Dagegen steige die Kaufkraft und damit die Konsumlaune, was die Wirtschaft beleben werde, so die Positivbilanz des Ministers. Wichtig sei jetzt der konsequente Bürokratieabbau, wofür der Deutschlandpakt zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung von Bund und Ländern erfolgreich auf den Weg gebracht wurde. Auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das demnächst in Kraft trete, wird für Linderung bei dem alle Branchen betreffenden Problem des Fachkräftemangels sorgen.
Landesverteidigung statt Make Love not War
Beeinträchtigt wird die wirtschaftliche Situation in Deutschland von der geopolitischen Unsicherheit und den Kriegen und Kriegsgefahren. Schmidt: „Die Friedensdividende seit Fall des Eisernen Vorhangs ist aufgebraucht. Es muss nun in Rüstung investiert werden. Die Politik heute heißt Landes- und Bündnisverteidigung statt Make Love not War“.“ Das werde auch angesichts der Krisenherde in der Ukraine, Gaza und angesichts der Spannungen zwischen USA und China von der Bevölkerung so gesehen. Die Bedrohung, dass die Konflikte zum Flächenbrand werden, seien nicht zu unterschätzen. Schmidt räumte ein, dass die 17 Milliarden Euro, die die Bundesrepublik bisher als Hilfe an die Ukraine gezahlt habe, an anderer Stelle fehlen.
Ampelkoalition - Bundeskanzler Scholz als Paartherapeut
Auf den Dauerstreit in der Ampel angesprochen, machte Schmidt auf die komplizierte Situation des Drei-Parteiensystems aufmerksam. „Vergleichen Sie das nicht mit dem Zwei-Parteien-System der Vergangenheit. Der Streit ist auch Ausdruck davon, dass es richtig um was gehe“, so der Kanzlervertraute. Allerdings müsse man stärker „nachvollziehbar machen, was man tut“. Der Forderung an den Bundeskanzler, angesichts der Ministerfehden endlich mal auf den Tisch zu hauen und seine Richtlinienkompetenz zu nutzen, widersprach der Minister mit Hinweis auf die durch das Grundgesetz eingeschränkten Möglichkeiten des Kanzlers. In 16 Regierungsjahren habe Bundeskanzlerin Angela Merkel das Kanzlerprinzip nur zwei Mal genutzt. Schmidt hält das Buddha-Prinzip von Olaf Scholz als zielführender als das Merz-Prinzip der kurzen Lunte. In dieser Ampelkoalition mache Scholz als Paartherapeut eine gute Figur, so der Minister.
Unter den über 100 Wirtschaftsentscheidern waren u. a. Dr. Sigrid Evelyn Nikutta (Deutsche Bahn), Nina Englert (BMW), Aletta von Massenbach (Flughafen Berlin-Brandenburg), Wolfgang Harth (Weberbank), Senator a. D. Wolfgang Branoner, Botschafterin Livia Leu (Schweiz), Botschafterin Isabel Frommelt-Gottschald (Fürstentum Liechtenstein), Kaweh Niroomand (BR-Volleys), Frank Schmeichel (Business Network), Mirco Dragowski, Ilona Koch, Frauke Eustermann, Christoph Nitz, Robert Philipp, Matthias Helfrich, Sebastian Thomas, Dr. Jörg Eggers, Julia Wacket.