Irre Masche: Verdacht auf systematische Steuerhinterziehung in Berliner Mietwagenbranche
Ein System von "Firmenbestattungen" im Mietwagenbereich dient in Berlin mutmaßlich der Steuerhinterziehung und dem Sozialbetrug. Vor allem die großen Player der Mietwagen- Szene sind involviert, mindestens 61 Firmen sollen Teil des Systems sein. Die Politik zeigt sich teils überrascht über diese neue Erkenntnis, hat aber bereits reagiert.
Die beteiligten Unternehmen sind meist nur zwei oder drei Jahre auf dem Markt und befördern Fahrgäste, vermittelt von Mobilitätsplattformen wie Uber, Bolt oder Freenow. Danach werden sie an eine Holding nach Bulgarien überführt und verschwinden vom Berliner Mobilitätsmarkt. Die Unternehmen haben in ihrer aktiven Zeit circa 1.300 Autos im Einsatz, wobei viele dieser Fahrzeuge eine Genehmigung für die Personenbeförderung haben, ausgestellt von der Berliner Zulassungsbehörde.
Florian Köbler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, erklärt, dass dadurch Umsätze verschleiert werden und es somit zu Steuerhinterziehungen komme. Das Problem dabei ist: Die Finanzämter prüfen neu gegründete Unternehmen in der Regel erst nach 18 bis 24 Monaten. Unternehmen, die dann bereits ins Ausland verkauft wurden, lassen sich kaum mehr genauer untersuchen. Schwarzarbeit bei vielen FahrerInnen überrascht bei einem solchen System dann auch nicht mehr. Sind die Firmen erstmal abgetaucht, werden auch bei den FahrerInnen Sozialabgaben und Lohnsteuer hinterzogen. "Der Gesamtschaden dürfte wirklich eklatant sein," gibt Köbler weiter an, und dürfte im zweistelligen Millionenbereich liegen.
Der Berliner Verkehrspolitiker Tino Schopf fordert bereits seit Jahren eine Regulierung des Mietwagenmarktes. Für den SPD-Abgeordneten seien die jüngsten Erkenntnisse "eine Überraschung gewesen“. Er habe Strafanzeige erstattet "gegen Personen aus dem Mietwagen- und Taxibereich wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit und wegen des Verdachts auf eine systematische Firmenbestattung in mehr als 50 Fällen", so Schopf.
Es bewahrheite sich nun das, was der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland (TMV) bereits lange angemahnt hat. Uber und Co betrieben ein kriminelles Geschäft, das „in seinem Ausmaß jedoch selbst unsere Einschätzungen weit übertrifft“, sagt TMV-Präsident Thomas Kroker. „Wir begrüßen es sehr, dass unser Freund Tino Schopf nun bei der Berliner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Akteure aus dem illegalen Mietwagensumpf gestellt hat“, so Kroker weiter. Das Ausmaß und vor allem das komplexe „Firmenbestattungsgeflecht“ überträfen die schlimmsten Befürchtungen des TMV.
Die Berliner-Finanzämter können frühestens Ende 2024 die Firmendaten für 2023 einsehen, was im Falle der "Firmenbestattungen“ dazu führt, dass die Besitzer der mittlerweile gelöschten Firmen nur schwer oder gar nicht belangt werden können.
Köbler fordert deshalb eine Umstellung der Besteuerung auf ein Echtzeit-System. Man müsse "möglichst in Echtzeit oder zumindest zeitnah Daten an uns übermitteln, um eben den Steuerbetrug besser bekämpfen zu können", so der Steuergewerkschafts-Chef. In anderen Ländern werde dieses System der Echtzeit-Besteuerung bereits erfolgreich praktiziert. (mz)