EXPO REAL 2019: Immobilienbranche in Party-Stimmung
Die EXPO REAL in München ist nicht nur die größte Gewerbeimmobilienmesse Europas, sondern auch Trendbarometer und Taktgeber für die gesamte Branche. Drei Tage lang nutzten 2.190 Aussteller aus 45 Ländern und rund 46.000 Besucher die EXPO REAL als Plattform für Diskussionen, zum Netzwerken und – vor allem – für Business. Trotz Brexit, aufziehender Rezession und Handelsstreit war die Stimmung gut, es überwog realitätsbezogener Optimismus. Die Kombination aus niedrigen Leerstandsraten, boomender Wirtschaft und der Tiefstzinspolitik der EZB ist nach wie vor ein äußerst kraftvoller Antrieb für die Immobilienmärkte. Experten sehen angesichts der politischen Großwetterlage kein erhöhtes Risiko für die Immobilienwirtschaft in Deutschland.
Doch es gibt auch dunkle Wolken am Horizont: Stichwort Mietendeckel. Die Regulierungsideen aus der Politik sorgten für Diskussionen. Neben dem Mietendeckel, der in Berlin kurz vor seiner Umsetzung steht, fordern manche gar Enteignungen im großen Stil. Branchenexperten sind sich einig: Es reicht! IVD-Präsident Jürgen Michael Schick appellierte an die Politik, keine weiteren Änderungen im Mietrecht mehr vorzunehmen. „Die Investoren brauchen Planungssicherheit und nicht alle vier Wochen weitere Verschärfungen“, erklärte Schick.
Mietendeckel & Co.
Die deutsche Hauptstadt bleibt das Immobilien-Mekka Europas und ist nach wie vor Investor’s darling. Doch die Debatte um den Mietendeckel hat längst auch die Kapitalmärkte erreicht. Der Berliner Senat plant, einen landesweiten Mietendeckel einzuführen, der die Miete auf maximal sechs Euro pro Quadratmeter begrenzen soll – unabhängig von der Lage. Anleger reagieren nervös auf die Pläne aus der Hauptstadt. Obwohl die Zinsen aufs Baugeld historisch niedrig sind und Wohnraum weiterhin knapp ist, sorgen solche Diskussionen um Mietendeckel, Enteignung und Co. für Ärger und Unverständnis.
Branchenvertreter bezeichnen den Gesetzesentwurf als bizarr, realitätsfern und warnen vor katastrophalen Folgen für den Immobilienstandort Deutschland. Ein Mietendeckel, sollte er tatsächlich kommen, signalisiert Stillstand und einen Wechsel im politischen und wirtschaftlichen System der Bundesrepublik. Inländische wie internationale Investoren könnten sich aus dem Berliner Markt zurückziehen – mit gravierenden Folgen für den Wirtschaftsstandort. Mit einer Regulierung, die stranguliert, vernichtet der Senat Vertrauen und den Tatendrang der Menschen, die in die Hauptstadt kommen, um Neues zu schaffen – so einer der vielen Vorwürfe, die sich an die Berliner Verantwortlichen richten.
Experten befürchten, dass sich die ohnehin schon nicht ausreichende Neubautätigkeit deutlich reduziert. Die Folge: Es entstehen keine neuen Wohnungen. Immobilienprofi Siegfried Nehls, Vorstand des Berliner Projektentwicklers SANUS AG, schätzt die Situation als riskant ein: „Die Berliner Politik spielt ein gefährliches Spiel. Wenn sich die Schaffung von Wohnraum in Berlin nicht mehr rechnet, dann weichen Entwickler und Investoren an andere Standorte aus. Letzten Endes stellt sich dann die Frage, wer in Berlin den dringend benötigen Wohnraum noch schaffen soll.“ Sein Unternehmen SANUS AG ist bereits im Ausland aktiv und realisiert neue Projekte in Mailand und Budapest.
Fachkräftemangel hemmt die Geschäftsentwicklung
Ein weiteres Sorgenkind der Immobilienwirtschaft ist der grassierende Fachkräftemangel. Viele sehen darin die größte Gefahr für die Geschäftsentwicklung. Es ist schwieriger geworden qualifizierte Mitarbeiter zu finden, so der Tenor. Auch Immobilienverwalter und Wohnungsunternehmen kämpfen um Mitarbeiter. Um die besten Köpfe für das Unternehmen zu gewinnen, müssen diese sich strategisch überlegen, wie sie als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Doch was sind die Anforderungen junger Menschen an die Arbeitswelt? Bezahlung, Work-Life-Balance, Loyalität und Unternehmenskultur sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang immer wieder als Motivationsfaktoren angeführt werden.
Susanne Tattersall von TATTERSALL·LORENZ bestätigt, dass das Image und die unternehmerische Ausrichtung eine wichtige Rolle spielen: „Die Reputation unseres Unternehmens ist ein entscheidendes Kriterium. Wir verwalten für interessante Kunden interessante Immobilien. Und wir sind im besten Sinne Mittelstand. Wer sich bei uns im Unternehmen wirklich einbringt, kann sich entwickeln und es weit bringen – anders als vielleicht in einem Konzern mit starren Strukturen.“
Klar ist, dass sich die Ansprüche des Nachwuchses in der Immobilienbranche verändert haben. Transparenz, attraktive Arbeitsmodelle und Unternehmen sowie eine angemessene Bezahlung – Unternehmen der Immobilienbranche werden nicht umhin kommen, geeignete Arbeitnehmer zu umwerben und die Angebote der Konkurrenz zu übertreffen.
Dauerbrenner Digitalisierung
Die Digitalisierung ist Dauerbrenner unter den Gesprächsthemen auf der EXPO REAL. Beim Immobiliendienstleister CBRE sieht man Big bzw. Smart Data als eines der großen Themen der Zukunft. Diskussionen über die Blockchain-Technologie und wie sich diese auf die Immobilienbranche auswirken wird, stießen auf reges Interesse auf der Messe. Eine Möglichkeit: Durch die Blockchain könnten globale Transaktionsfees eingedämmt werden.
Als Erfolg verbucht die Messe die neue Halle A3, in der innovative Unternehmen und neue technische Lösungen gebündelt wurden. Hier präsentierten sich mehr als 60 Start-ups und weitere junge Technologieunternehmen dem Publikum. „Wir gehen davon aus, dass diese Innovations-Plattform auch in den kommenden Jahren ein großer Anziehungspunkt der Expo Real sein wird“, resümiert Projektleiterin Claudia Boymanns.
Es tut sich also etwas im Bereich Digitalisierung. Es herrschte zwar schon immer Einigkeit über die Bedeutung des Themas für die Immobilienwirtschaft, in der Vergangenheit waren das aber oft nur Lippenbekenntnisse. Nun kommt Schwung in die Angelegenheit. Themen wie BIM und serielles Bauen sind mittlerweile sind in der Branche angekommen. Auch die Bedeutung der sogenannten Prop-Techs hat stetig zugenommen. Experten sind sicher, dass die gesamte Immobilienwirtschaft immens profitieren wird, wenn die Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden.
Topthema: Zukunftsweisende Projekte
Baustellen allerorten – doch die Branche lässt sich die Laune nicht verderben. Beim networken zeigte sich, dass trotz aller Ungewissheiten und Zukunftsängsten der Optimismus deutlich überwiegt. Denn das wichtigste Thema in den Gesprächen waren dann doch neue und zukunftsweisende Bauprojekte wie etwa der Campus Mainview in Offenbach, Grand Central in Frankfurt, das Quartier Elbbrücken in Hamburg oder die Urbane Mitte am Gleisdreieck von COPRO in Berlin. Projekte, die sich um Stadtentwicklung, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit drehen und die Ansprüche und Anforderungen der Menschen von vornherein mitdenken. Das Hauptziel dabei ist nicht Profit, sondern vor allem die Schaffung von Leuchtturmprojekten, architektonischen Highlights und ein Beitrag zur Stadtentwicklung der Zukunft. Das könnte auch möglicherweise ein Schlüssel sein, um den Baufrieden, den viele Branchenvertreter einfordern, wieder herzustellen. (ak)