Eine Frage der Autonomie
Zwischenruf von Verleger Frank Schmeichel
In der Rigaer Straße 94 wird aufgeräumt. Erst werden die Besetzer des Hauses von der Polizei vor die Tür getragen. Nun werden sie selbst vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zum Aufräumen und Beseitigen von Brandlasten als Brandschutzmängel aufgefordert. Mit der Begründung von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt des rechtswidrigen Vorgehens bei der Beseitigung von Brandschutzmängeln: „Grundsatz der Effektivität des Handelns“.
Dem widersprechen die Fachleute der Bauaufsicht. Der Eigentümer sei für die Mängelbeseitigung zuständig – nicht die Bewohner dürften dazu aufgefordert werden. Auch der Anwalt Alexander Freiherr von Aretin, der den Eigentümer vertritt, sieht das Ausschließen des Eigentümers bei der Mängelbeseitigung als rechtswidrig. Der Weg im direkten Austausch mit den Mietern, den das Bezirksamt gewählt hat, ist so laut den Vorschriften der Bauaufsicht nicht möglich und hätte vor dem Verwaltungsgericht keinen Bestand.
Was also treibt Bezirksbürgermeisterin Herrmann und Baustadtrat Schmidt diesen Weg zu gehen? Ein mögliches Motiv, ist die Vermeidung eines weiteren Polizeieinsatzes im Rahmen von Bauarbeiten im Gebäude. Doch sind die Ansichten des Bezirksamts in seinem Vorgehen mit den Vorschriften überhaupt tragbar?
Grundsätze des gesunden Menschenverstands wie Effektivität des Handels, Logik des Handelns oder Konsequenz und Konsistenz des Handelns oder Berücksichtigung der Gleichbehandlung im Handeln sind sicher vernünftig und sollten viel häufiger angewandt werden. Jedoch stehen hier Risiken für die öffentliche Sicherheit und für das Leben der Menschen auf dem Spiel – da ist das Verhalten der Behörde eine schallende Ohrfeige.
Mit der Ohrfeige wird gegen Vorschriften verstoßen und ideologischen Interessen einen Freifahrtsschein ausgestellt. Nun hält der Bezirk in der derzeitigen Entwicklung vor Ort, noch die beschützende Hand darüber und wischt Kritik wie von der Bauaufsicht vom Tisch. Damit überschreitet der Bezirk durch sein autonomes Verhalten seine Kompetenzen und muss nun Stellung gegenüber der Stadtentwicklungsverwaltung nehmen. Bei rechtswidrigem Handeln wird die Behörde mit einem Senatsbeschluss rechnen müssen.