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Ein Jahr Mietendeckel
In Berlin herrscht eine hitzige Debatte über den Erfolg des Mietendeckels. | Foto: anna-m. w. von Pexels

Ein Jahr Mietendeckel

23. Februar 2021

Schon lange bevor das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln), besser bekannt als Mietendeckel, vor genau einem Jahr am 23.02.2020 in Kraft trat, sorgte er für hitzige Debatten. Ziel der Begrenzung der Mieten war mehr Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Doch ist der gewünschte Effekt eingetreten? Wie ist die Bilanz nach einem Jahr Mietendeckel? Fest steht: die Themen Bauen und Wohnen werden die Abgeordnetenwahl im Herbst entscheidend mitbestimmen.

Mietendeckel: Entspannung oder Verschärfung des Problems?

Wer in Berlin auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung ist, muss viel Ausdauer beweisen. Denn der verfügbare Wohnraum ist knapp. 2019 lag die Leerstandquote gerade einmal bei 0,8 Prozent. Seitdem hat sich nur wenig verändert. Doch die Nachfrage nach Wohnraum in Berlin ist ungebrochen, sodass die Mieten unweigerlich steigen. Weiter befeuert durch Spekulationen – Immobilien gelten auch in Krisenzeiten als sicheres Investment –, sind hier die Grenzen nach oben offen. Der Mietendeckel sollte durch gesetzliche Regulationen für Entspannung sorgen.

Sebastian Scheel, Senator für Stadtentwicklung und Wohnen zieht eine positive Bilanz. „Erfreulicherweise verhalten sich die meisten Vermieter*innen gesetzeskonform. So wurden bei den Bezirken bislang 2785 und bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen 1545 Verstöße registriert“, erklärt Scheel. Auch von den Mitregierenden Parteien gibt es Zuspruch. Der Mietendeckel habe sich als konsequente Notbremse erwiesen und verhindert das der Berliner Wohnungsmarkt weiter aus den Fugen gerät, erklärt Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Berliner Grünen. „Der vor einem Jahr in Kraft getretene Mietendeckel ist hier ein wichtiges Schutzinstrument, das Verdrängung vorbeugt und bis zu 1,5 Millionen Berliner Haushalte entlastet, indem er sie bis 2025 vor überzogenen Mieterhöhungen schützt“, so Schmidtberger. Sie ist davon überzeugt, dass Wohnungen keine reinen Anlageobjekte sein dürfen. Vielmehr sei Wohnungspolitik öffentliche Daseinsvorsorge und das Grundrecht auf Wohnen müsse durch Rot-Rot-Grün gewährleistet werden.

Gleichzeitig kritisiert Schmidberger Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung des Mietendeckels. Umgehungen wie Schattenmietklauseln, illegale „Abschlagszahlungen“ für Möbel oder Kündigungsdrohungen bei Mietabsenkungen müssten von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen konsequenter geahndet werden. Scheel indes warnt sogar vor illegalen Umgehungsversuchen: „Der Mietendeckel ist ein Verbotsgesetz. Verstöße werden von Amts wegen verfolgt und geahndet. Das Bußgeld kann bis zu 500.000 Euro betragen.“

Kritik aus der Opposition und der Immobilienwirtschaft

Ebenso wie die Befürworter, sehen sich die Kritiker des Mietendeckels in ihrer Meinung bestätigt. Die Schlangen vor den Wohnungsbesichtigungen in Berlin seien aufgrund des „ideologischen Experiments“ noch länger geworden, konstatiert Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin. „Ein Einbruch des Mietangebots um 40 Prozent, 4.000 neue Wohnungen durch gemeinnützige Genossenschaften wieder abgesagt und lähmende Rechtsunsicherheit bei Mietern sowie Vermietern – statt einer „Atempause“ hat der Mietendeckel den Wohnungsmarkt kurz vor den Herzstillstand geführt“, so Czaja. Berlin müsse sich endlich ein Beispiel an Städten wie Hamburg nehmen und sich günstige Mieten bauen. Ein wichtiges Instrument sei dafür die Verschlankung der Genehmigungsverfahren.

Der Mietendeckel habe nicht eine einzige Wohnung mehr in Berlin gebaut, sagt Dr. Manja Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. Im Gegenteil verzeichnete das Baugewerbe einen Auftragsrückgang von rund 185 Millionen Euro allein in der Wohnungssanierung. Drei Viertel der privaten Wohnungsunternehmen hätten die geplanten Investitionen in Bau und Sanierung von Wohnungen zurückgestellt. Der Mietendeckel verschärfe die Wohnungsknappheit noch zusätzlich. Denn auch beim Neubau seien insbesondere die Wohnungsbaugenossenschaften und die privaten Bauherren zögerlicher als noch vor einem Jahr.

„Das war ein verlorenes Jahr für den Berliner Wohnungsmarkt. Statt den dringend notwendigen Neubau endlich anzukurbeln, sorgt der Mietendeckel für das blanke Gegenteil. Er verhinderte den Bau neuer Wohnungen, obwohl jährlich Zehntausende Wohnungen in Berlin fehlen. Er verhindert die Modernisierung des Bestandes. Er verknappt das Wohnungsangebot. Er privilegiert lediglich einkommensstarke Mieter. Kurz: Er bremst und verunsichert eine gesamte Gesellschaft“, fasst Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes Deutschland IVD die Situation nach einem Jahr Mietendeckel zusammen.

Noch ist der Mietendeckel nicht sattelfest. Die Oppositionsparteien CDU und FDP haben vor der dem Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage eingereicht, um das Gesetz zu kippen. Eine Entscheidung wird im ersten Halbjahr 2021 erwartet. Eine Verlängerung des Mietendeckels über 2025 hinaus soll es schon mal nicht geben. Das haben zuletzt die Grünen und Senator Scheel bekräftigt. Fragt sich, welcher Politiker 2025 den Schneid hat, das Ende des Mietendeckels zu verkünden. (aw)