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Die Frau klarer Worte
„Wir wollen an die bisherigen Erfolge anknüpfen und Berlin als lebenswerte Metropole mit Herz und Verstand weiterentwickeln“, erklärt Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der Berliner SPD | Foto: Nils Hasenau

Die Frau klarer Worte

25. Juni 2021

Porträt Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der SPD Berlin

Aktuell holt die SPD in Berlin wieder auf. Das liegt vor allem an ihrer Spitzenkandidatin. In einer repräsentativen Umfrage von Wahlkreisprognose.de Ende März wurde gefragt: „Wenn man den Regierenden Bürgermeister direkt wählen könnte, für wen würden Sie sich entscheiden?“ Als Antwort gaben 33 Prozent der Befragten Franziska Giffey an. Damit führt sie weit vor den anderen Spitzenkandidat*innen Kai Wegner (CDU), Klaus Lederer (Linke) und Bettina Jarasch (Grüne), die auf jeweils 15 Prozent kamen. Diesen hat sie etwas Entscheidendes voraus – ihre Bekanntheit.

Von Brandenburg in die Bundespolitik

Franziska Giffey wurde 1978 in Frankfurt (Oder) geboren, wuchs in der Nähe von Fürstenwalde an der Spree auf, machte 1997 ihr Abitur und ging zum Studium nach Berlin. Nach ihrem Abschluss als Diplom-Verwaltungswirtin an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) arbeitete sie ein Jahr im Büro des damaligen Bezirksbürgermeisters von Treptow-Köpenick. 2002 entdeckte der legendäre Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ihr Talent und macht sie mit gerade einmal 24 Jahren zur jüngsten Europabeauftragten seines Bezirks. Während dieser Zeit erwarb sie außerdem einen Master für Europäisches Verwaltungsmanagement an der FHVR, war mehrmals im Ausland, heiratete, bekam einen Sohn und promovierte berufsbegleitend im Bereich Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Eben diese Doktorarbeit mit dem Thema „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ wird wegen Plagiatsvorwürfen derzeit erneut von der Freien Universität geprüft. Ende vergangenen Jahres kündigte Giffey an, unabhängig vom Ergebnis auf das Führen des Titels zukünftig zu verzichten.

2007 trat Giffey in die SPD ein, weil sie politisch etwas verändern wollte. Von 2010 bis 2015 war sie Neuköllner Bezirksstadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport. In 2015 trat sie die Nachfolge ihres Mentors Buschkowsky an. Drei Jahre war sie Bezirksbürgermeisterin und prägte trotz dieser kurzen Zeit einen der multikulturellsten und rauesten Bezirke Berlins. 2018 kam das Angebot der damaligen SPD-Chefin Andrea Nahles für das Amt der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Sozialdemokraten wollten eine ostdeutsche Kandidatin für eine gleichmäßige Repräsentation im Kabinett. Die Erfahrungen aus ihrer Zeit in einem Brennpunktbezirk trägt sie ins Bundesamt und bleibt auch dort ihrem Stil „fördern und fordern“ treu.

#HerzenssacheBerlin

Mit formulierten politischen Zielen wie starke Wirtschaft und mehr Sicherheit rückt sie die traditionell linke Berliner SPD stärker in die Mitte. Dennoch will sie sich nicht in links oder konservativ einordnen lassen – sie will pragmatische und bürgernahe Politik machen. Mit dem Motto #HerzenssacheBerlin geht Franziska Giffey deshalb für die Berliner SPD in den Wahlkampf. Denn besonders ein Punkt unterscheidet sie von vielen ihrer Kolleg*innen: Bürgernähe. Was für viele oft eher unliebsame Pflicht ist, ist für sie eine Herzensangelegenheit, ein Motor. Darum sucht sie auch stets bewusst das Gespräch mit den Bürger*innen vor Ort. Besucht sie ein Unternehmen, wie im vergangenen Jahr zum Beispiel die Seilfabrik in Reinickendorf, spricht sie nicht nur mit den Geschäftsführern, Vater und Sohn Köhler, sondern nimmt sich auf der Tour durch die Produktionshallen auch Zeit, um mit den Mitarbeiter*innen zu sprechen.

Sie möchte, dass alle Menschen, egal ob sie in einem wohlhabenden Kiez oder in einem Brennpunktviertel wohnen, die Möglichkeit zur Teilhabe bekommen. Darum vermittelt sie ihre lebensnahen politischen Ziele in einer klaren, verständlichen Sprache. Oft redet sie frei, spricht von ‚wir‘, nutzt dabei gerne Vokabular des Mannschaftssports, ist fröhlich und zugewandt. Ihre Forderungen bringt sie temperamentvoll und dennoch mit sanfter Stimme vor, macht verbindliche klare Ansagen, ohne dabei die Fassung zu verlieren. In Interviews beginnt sie ihre Antworten oft mit den Worten: „Wissen Sie…“ und trägt dann gelassen ihre Argumente vor. Stets spricht sie von ‚unserem‘ Berlin. Setzt sich ein für eine soziale und sichere Stadt, bleibt hartnäckig. Gleichzeitig will sie sich nicht gemein machen. Sie ist stets akkurat gekleidet – Kostüm oder Hosenanzug, hochgesteckte Haare. Mit ihrem Kleidungsstil fordert sie Respekt ein. Zu ihrer Zeit als Bezirksbürgermeisterin von Neukölln war sie damit im Kiez bereits erfolgreich.

Mit fünf klaren Zielen, wie es für den Politikstil der SPD-Frau typisch ist, ist Giffey in den Wahlkampf gestartet: Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit | Foto: Adam Vradenburg on Unsplash

Sozialpolitik durch und durch

„Wir werden es nur schaffen, wenn es jedes Kind packt“, ein Satz, den Giffey – in verschiedenen Variationen – nicht müde wird zu wiederholen. Sozialpolitik beginnt für die SPD-Frau schon bei den Kleinsten. Nicht woher jemand kommt, sondern wohin er gehen will, soll den Unterschied in den Lebensläufen der Menschen machen. Dabei verstrickt sie sich nicht in ideologischen Forderungen, sondern geht pragmatisch und lösungsorientiert an die Probleme heran. Fragt nach konkreten Voraussetzungen, die für eine Lösung notwendig sind. Dabei ist sie durchaus bereit, sich unbeliebt zu machen. Beispielsweise bei den Jusos. Gerade bei Enteignungen, die für Giffey keine Lösung des Wohnungsproblems darstellt, ist sie mit den jungen Sozialen uneinig. Dort kommt sie mit ihren politischen Positionen nicht immer gut an.

Zudem setzt sie bei der Bewältigung ihrer politischen Ziele auf Kooperation. In einem Interview mit Jörg Thadeusz im vergangenen Dezember im rbb sagte sie: „Große Aufgaben können immer dann besser bewältigt werden, wenn sie auf mehrere Schultern verteilt werden.“ Darum will sie auch die rund 150.000 Berliner*innen im öffentlichen Dienst ins Boot holen, um die Probleme der Verwaltung zu lösen. Sie mit Wertschätzung, Anerkennung, guter Bezahlung, beruflichen Perspektiven und Arbeitsplätzen zu Verbündeten der Stadt machen.

Anreize statt Verbote

Nicht mit dem moralischen Zeigefinger, sondern mit pragmatischen Lösungen will Giffey Anreize schaffen, die ein Umdenken anregen. In Ihren Augen ist beispielsweise ein Autoverbot in der Innenstadt nicht realitätsgetreu. Vielmehr will sie den ÖPNV ausbauen, attraktive Angebote schaffen, um mehr Berliner*innen dazu zu bewegen, umzusteigen. Dass sie dabei so vehement einen Ausbau der U-Bahn fordert, um vor allem die Randgebiete besser anzubinden, trifft nicht nur auf offene Ohren. Doch auch hier zeigt sich wieder, dass Giffey ihre Forderungen gründlich durchdenkt, bevor sie sie ausspricht und stets im Rahmen des Machbaren bleiben will. Sie hat fünf konkrete Verbindungen vor Augen, für die sie streiten will. Vom Bund stehen Fördermittel für einen U-Bahnausbau bereit. Außerdem hat sie bereits Argumente parat, um die bereitstehenden Fördermittel abzurufen. Ein Ausbau habe einen Vorbildcharakter und eine nationale Bedeutung – denn schließlich sei Berlin die Hauptstadt der Bundesrepublik.

Die Berliner SPD geht mit einer starken und authentischen Kandidatin in den Wahlkampf. Mit ihrem bürgernahen, optimistischen Politikstil vermag sie es, die Demokratiemüdigkeit im Land zu vertreiben. Mit der Priorisierung von fünf großen Themen, die immer auch unter dem Gesichtspunkt der klimaneutralen Stadt gedacht werden, bleibt Giffey ihrer Art, politische Ziele zu formulieren treu und spricht inhaltlich die aktuell drängendsten Fragen an. (aw)

Zehn Fragen an… Franziska Giffey

Mit fünf Bs für Berlin: „Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit“ haben die neuen Berliner SPD-Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh ihr Programm für die Wahl im Herbst zusammengefasst. Doch was verbirgt sich hinter diesem Wort-Gespann? Welche konkreten Ziele verfolgt die Berliner SPD? Mit 10 Fragen an Franziska Giffey hakt die BERLINboxx nach.

Wie sind Sie zur Politik gekommen? Gab es ein konkretes Ereignis in Ihrem Leben?

Ich habe angefangen, Politik zu machen, weil ich nicht hinnehmen wollte, dass manche Kinder weniger Chancen haben als andere. Mich hat immer beschäftigt, wie viele Kinder, wie viele Familien in sehr schwierigen sozialen Verhältnissen leben. Aber diese Kinder sind doch nicht weniger talentiert als andere, die wohlbehütet aufwachsen. Wir können es uns nicht leisten, dass diese Kinder nicht ihren Weg machen. Deshalb habe ich mit 29 Jahren entschieden, in die Politik zu gehen. Ich wollte meinen Beitrag dazu zu leisten, dass jedes Kind und jeder Mensch seinen Weg machen kann, egal ob aus armen oder reichen Verhältnissen, egal ob die Eltern deutsch sprechen, lesen und schreiben können oder nicht.

War Ihnen von Anfang an klar, dass es die SPD sein wird?

Ja, weil die SPD dafür steht, den Bildungserfolg wirklich von sozialer Herkunft abzukoppeln – damit nicht wichtig ist, woher jemand kommt, sondern wer er oder sie sein will. Das ist für mich bis heute Kern der Sozialdemokratie. Die SPD sorgt für soziale Gerechtigkeit, sozialen Aufstieg und den Ausgleich der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Interessen. Sie setzt sich für die Arbeitnehmer*innen ein und agiert bürgernah, pragmatisch und lösungsorientiert. Dafür bin ich der SPD beigetreten und das war die richtige Entscheidung.

Die SPD stellt seit Oktober 2001 ununterbrochen den Regierenden Bürgermeister in der deutschen Hauptstadt. Welche Akzente werden Sie setzen, falls Sie erste Regierende Bürgermeisterin werden? Welche Pläne haben Sie für Berlin?

Unser Berlin gehört zu den attraktivsten Städten Europas und der Welt. Dazu hat die sozialdemokratische Politik, die diese Stadt seit vielen Jahren mit großer Erfahrung und Kompetenz gestaltet, einen entscheidenden Beitrag geleistet. Wir wollen an die bisherigen Erfolge anknüpfen und Berlin als lebenswerte Metropole mit Herz und Verstand weiterentwickeln. Wir wollen eine Stadt der Innovation und der Zukunftsfähigkeit, eine soziale und sichere Stadt, eine ökologische Stadt, in der Vielfalt und Freiheit gelebt werden, eine Stadt der großen Chancen für jedes Kind. Dabei setzen wir unsere großen inhaltlichen Schwerpunkte auf die 5 B´s für Berlin: Bauen – Bildung – Beste Wirtschaft – Bürgernahe Verwaltung und Berlin in Sicherheit.

„Für eine soziale und sichere Metropole“ titelt das vorläufige Wahlprogramm der Berliner SPD. Was bedeutet das für Sie? Wie wollen Sie soziale Ungleichheiten in Berlin bekämpfen, die oft schon in der Schule beginnen? Wie für die Berliner*innen mehr Sicherheit und Perspektiven schaffen?

Wer in Berlin lebt, muss sich sicher fühlen können. Für uns bedeutet Sicherheit nicht nur Schutz vor Kriminalität, sondern eben auch vor sozialem Abstieg, Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Bildung ist der Schlüssel zu allem – zu einem selbstbestimmten und freien Leben, zu guter Arbeit und Wohlstand für alle. Deshalb ist Chancengerechtigkeit für uns das zentrale Ziel, nach dem wir unsere Bildungspolitik von Anfang an ausrichten. Entscheidend ist aber auch, dass die Berliner Wirtschaft nach der Pandemie wieder auf Erfolgskurs kommt und zu neuer Stärke findet. Vor der Pandemie war Berlin das Bundesland mit dem stärksten Wirtschaftswachstum. Daran wollen wir wieder anknüpfen.

Mietendeckel und Enteignungsdebatte haben das Vertrauen der Immobilienunternehmer*innen in die Berliner Politik erschüttert. Viele Investoren haben sich zurückgezogen. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie das erklärte Ziel, bis 2030 insgesamt 200.000 bezahlbare neue Wohnungen zu bauen, erreichen?

Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen, den Genossenschaften und auch den privaten Wohnungsunternehmen partnerschaftlich zusammenarbeiten. Aus unserer Sicht ist es wichtig, alle Akteure an einen „Runden Tisch Wohnungsbau für Berlin“ zusammen zu holen und gemeinsam dieses große Vorhaben voranzubringen. Dabei sind die landeseigenen Wohnungsunternehmen wichtige Partner beim Bau bezahlbarer Wohnungen. Aber auch die privaten Bauherren sind für die Realisierung der Neubauziele unverzichtbar. Denn sie haben zuletzt 75 Prozent der Neubauvorhaben in Berlin getragen. Unser Dreiklang für bezahlbares Wohnen lautet Bauen, Kaufen, Schützen und wird ergänzt durch das Investieren in den Wohnungsneubau. Enteignungen halte ich nicht für das richtige Mittel für die Zukunft unserer Stadt, denn dadurch entsteht keine einzige neue Wohnung. Die Privatunternehmen müssten in Milliardenhöhe entschädigt werden. Diese Mittel fehlen im Landeshaushalt dann für den Wohnungsbau oder Investitionen in die soziale Infrastruktur.

Die Berliner Wirtschaft hat seit Pandemiebeginn besonders gelitten. Welche Ideen zur Erstarkung des Mittelstands haben Sie?

Der Wirtschaftsstandort Berlin ist für mich essenziell. Er sorgt dafür, dass Wohlstand in der Stadt erhalten bleibt und zukunftsweisende Entwicklung erfolgen kann. Die SPD geführte Landesregierung hat sofort und entschieden die massive Unterstützung der Wirtschaft, der Selbständigen, der Kulturschaffenden und auch der Familien durchgesetzt. Mit uns wird es kein „Heraussparen“ aus der Krise geben. Wir werden Berlin mit Konjunkturprogrammen, Starthilfen und gezielten Investitionen in Wirtschaft und Arbeitsplätze aus den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie führen. Weiter werden wir dafür sorgen, dass Unternehmen auf kürzestem Weg von den technischen und geistigen Innovationen der hervorragenden Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen Berlins profitieren können. Zu den Anreizen einer wirtschaftsfreundlichen Politik gehören beispielsweise schnelle Verwaltungsverfahren. Wir wollen die Berliner Verwaltung zu einem echten Dienstleister und Servicepartner für die Wirtschaft entwickeln.

Um zukunftsfähig zu sein, brauchen wir auch mehr junge Menschen in der Stadt, die sich für eine Berufsausbildung im Handwerk, in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich entscheiden. Wir werden die Branchen dahingehend unterstützen, mehr jungen Menschen den Weg in die duale Ausbildung zu ebnen.

Welche Anreize wollen Sie Start-ups und jungen Gründer*innen geben, damit es diese weiterhin in die Hauptstadt zieht, obwohl Berlin nicht mehr günstig ist?

Berlin hat an Attraktivität nichts eingebüßt. Die Stadt verfügt über eine schnell wachsende Start-up-Szene und eine erfolgreiche Infrastruktur zur Förderung und Finanzierung. Mit zahlreichen Investor*innen und einem Netz aus Coworking-Spaces bietet Berlin schon heute sehr gute Bedingungen. Unser Ansatz ist, eine Willkommenskultur für die Wirtschaft zu pflegen, um aktiv neue Firmen anzusiedeln und zu halten.

Wir wollen unsere Stadt durch eine wirtschafts- und wissensbasierte Innovationsförderpolitik zu einer idealen Umgebung für Unternehmen mit weltmarktführenden Produkten „Made in Berlin“ weiterentwickeln. Unser Fokus auf die enge Verknüpfung der ausgeprägten Berliner Wissenschaftslandschaft mit der Wirtschaft ist unabdingbar für die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt. Adlershof und Schöneweide sind beispielsweise schon jetzt wichtige Standorte für viele innovative Unternehmen. Auch das Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel wollen wir zu einem international vernetzten Spitzenstandort in der Forschung und Entwicklung urbaner Technologien aufbauen.

Der Wille nach Chancengleichheit unabhängig von der sozialen Herkunft hat Giffey zur SPD gebracht und prägt bis heute ihre Politik. | Foto: Jonas Tebbe on Unsplash

Schon seit geraumer Zeit ist es berlinweit quasi unmöglich, einen Termin in Bürgerämtern zu buchen. Aus der Staatsanwaltschaft vernehmen wir Schilderungen über vorsintflutliche Arbeitsbedingungen. Welche Konzepte verfolgen Sie konkret, um die Verwaltung zu modernisieren? Womit soll mehr Bürgernähe erreicht werden?

Alles was wir politisch wünschen, wird nur dann gelingen, wenn wir ein gutes Management haben. Eine starke Verwaltung, die umsetzen kann. Da muss Berlin noch besser werden. Und das beginnt mit der Haltung. Arbeiten für die beste Stadt der Welt ist nicht bloß ein Job. Es ist eine Aufgabe für Menschen, die ihre Stadt mitgestalten wollen. Für eine moderne Verwaltung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt brauchen wir genau diese Haltung. Das setzt eine Wertschätzung der Beschäftigten und ihrer beruflichen Interessen voraus. Dazu gehören faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen von der Büroausstattung bis zum mobilen und flexiblen Arbeiten. Die Digitalisierung der Verwaltung ist deshalb eines der Flaggschiffprojekte für die nächste Legislatur. Gleichzeitig wollen wir die Vor-Ort-Präsenz durch ergänzende ämterübergreifende Kiezbüros oder mobile Bürgerämter stärken.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat sich in seiner Amtszeit sehr um den Wissenschaftsstandort Berlin bemüht. Wollen Sie diesen Weg weiter beschreiten?

Auf jeden Fall. Die Stärkung unseres weltweit herausragenden Wissenschaftsstandorts ist mir ein zentrales Anliegen bei der Entwicklung der Stadt und der Region. Die Wissenschaft unterstützt bei der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen – ob Pandemie oder Gesundheit Klimawandel oder Mobilität – und ist ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt sowie ein großer Vorteil im Wettbewerb mit anderen Metropolen.

Welche Rolle wird für Sie der öffentliche Nahverkehr spielen? Wie möchten Sie Individual-, Wirtschafts- und öffentlichen Nahverkehr optimal zusammenbringen?

Für uns gibt es nicht das eine richtige Verkehrsmittel. Wir wollen, dass die Berliner*innen so mobil sein können, wie es wollen und brauchen. Deshalb ist es auch der völlig falsche Ansatz, Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben haben. So vielfältig wie Berlin und seine Menschen sind, so vielseitig sind auch die Mobilitätsbedürfnisse.

Berlin kann aber nicht nur in die Dichte und Höhe, sondern muss auch in die Breite wachsen. Dafür brauchen wir eine stärkere Anbindung der Außenbezirke durch gute Verkehrsanbindungen und engeren Taktungen. Unser U-Bahn-Konzept sieht konkret fünf Linienverlängerungen vor: U2 nach Pankow Kirche, U3 nach Mexikoplatz, U7 nach Spandau/Heerstraße, U7 zum BER und die U8 zum Märkischen Viertel, damit sich Wohnen, Wirtschaft und Arbeit auch in den Außenbezirken entwickeln können.

Unser Ziel ist eine sozial verträgliche und nachhaltige Mobilitätswende, die dazu beiträgt, Verkehrsströme zu verbessern. Die SPD Berlin wird daher gute Rahmenbedingungen beim öffentlichen Nahverkehr schaffen, Rad- und Fußwege ausbauen und die E-Ladeinfrastruktur verbessern. Mindestens 20.000 öffentliche E-Ladesäulen haben wir uns bis 2030 vorgenommen. Dazu kommt die Unterstützung für Ladepunkte von privaten Anbietern. Wir wollen gute Alternativen zum eigenen Auto anbieten, damit mehr Menschen auf eine klimafreundliche Mobilität umsteigen. (aw)