Das Berliner Mietendeckel-Debakel
Seit der Wende beeinflussten verschiedene Faktoren wie die Finanzkrise 2008/2009, steigende Bodenpreise und stark investierende ausländische Investoren den Berliner Wohnungsmarkt. Sie brachten die Wohnungslage in eine Schieflage. Vor diesem Hintergrund beschloss das Berliner Abgeordnetenhauses am 30.01.2020 den sogenannten Mietendeckel. In Kraft trat das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) am 23.02.2020. Heute wurde es in Karlsruhe für nichtig erklärt. Die Entscheidung löste verschiedene Reaktionen – sowohl negativ als auch positiv – in der Berliner Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus.
Neue Rechtssicherheit und viele ungeklärte Fragen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) für nichtig erklärt. Als Grund nannte es die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Denn das Gesetz wird dem zivilrechtlichen Mietrecht zugeordnet. Damit fällt es unter das bürgerliche Recht. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ist das Berliner Mietendeckel-Gesetz nicht rechtskräftig. Denn das Land hat die eigene Gesetzgebungskompetenz überschritten. Was sich aus dem gesprochenen Urteil für Konsequenzen für den Berliner Wohnungsmarkt ergeben, wird sich in naher Zukunft zeigen.
Das Urteil schlägt Wellen – gerade politisch
Als das Gesetz, der sogenannte Mietendeckel, schließlich erlassen wurde, gingen ihm bereits monatelange hitzige Debatten voraus. Auch jetzt entfacht der gekippte Mietendeckel erneute Diskussionen und Meinungen. Stimmen aus der Berliner Senatspolitik bedauern das Kippen des Gesetzes und wollen das weitere Vorgehen prüfen. Die Ambitionen des verabschiedeten Beschlusses im Januar letzten Jahres begründet Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, so: „Wir sind als Rot-Rot-Grün angetreten, alles dafür zu tun, die Verdrängung von Menschen durch explodierende Mieten in unserer Stadt endlich zu beenden. Deshalb haben wir uns entschieden, der Blockade der Bundesregierung in Sachen soziale Wohnungspolitik zu trotzen und mit dem Mietendeckel juristisches Neuland zu betreten.“
Noch größere Wellen in der Wirtschaft
In der Wirtschaft gibt es gemischte Meinungen zum gekippten Gesetz.
Beatrice Kramm, Präsidentin der IHK Berlin, kritisiert die Entscheidung des Berliner Senats zur Einführung des Mietendeckels: „Das „juristische Neuland“, das der Senat entgegen aller geäußerten Bedenken unbedingt betreten wollte, hat sich erwartungsgemäß als Treibsand herausgestellt. Die Verantwortung für die Kosten dieses rechtlichen Experiments trägt allein der Berliner Senat.“ Und fügt hinzu: „Den Preis für dieses Experiment zahlen ausgerechnet diejenigen, die doch eigentlich profitieren sollten, die Mieterinnen und Mieter.“
BFW-Präsident Andreas Ibel ist aufgrund des Urteils für die Immobilienbranche positiv gestimmt: „Die Karlsruher Richter haben die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Mietrecht in vollem Umfang bestätigt. Das ist ein wichtiges Signal für die mittelständische Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, die auf Planungs- und Investitionssicherheit angewiesen ist. Verlässliche, stabile und bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen ermöglichen es, auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“
Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg zweifelt die grundsätzliche Wirksamkeit des Gesetzes an: „Seit mehr als zwei Jahren wird in Berlin über den Mietendeckel gestritten, aber das Wohnraumproblem bleibt ungelöst.“ Den Grund dafür nennt sie gleich hinterher: „Die mittelständischen Unternehmen haben ihre Investitionen gestoppt. Der angespannte Markt kann aber nur durch Neubau entlastet werden.“
Bei all den Meinungen zieht UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck es vor, mit konkreten Vorschlägen zur Problemlösung zu Wort zu kommen: „Bezahlbare Wohnungen in einer Metropole sind ein wichtiger Standortfaktor. Dafür brauchen wir jetzt einen klaren Kurswechsel. Berlin muss ein Bündnis für das Wohnen schmieden und dazu alle Akteure an einen Tisch holen.“ Und führt weiter aus: „Jede Maßnahme, die den Wohnungsbau ankurbeln kann, muss auf die Tagesordnung – eine Entschlackung der Bauvorschriften, die Ausweisung zusätzlicher Bauflächen, schnellere Genehmigungsverfahren, der Ausbau von Dachgeschossen und vieles mehr.“
Was sagen die Mieter*innen?
Klare Kritik kommt gebündelt von dem Bündnis Berliner Initiativen gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, dem Berliner Mieterverein und der Berliner Mietergemeinschaft: „Die Entscheidung ist auch bundesweit ein verheerendes Signal für Mieter*innen, die in vielen Städten ebenfalls mit den Auswirkungen des spekulationsgetriebenen Wohnungsmarkts zu kämpfen haben.“ Und bringt klare Forderungen zum weiteren Handeln des Berliner Senats auf den Tisch: „Wir fordern den Senat auf, die Mieter*innen ihrer Stadt vor den unmittelbaren und langfristigen Folgen des Urteils zu schützen. Bei Nachzahlungsforderungen und Kündigungen müssen die Mieter*innen wirksam geschützt werden, insbesondere vor Wohnungsverlust.“ Denn: „Die Mieter*innen müssen sich auf klare und konsequente Regelungen zu Gunsten ihrer Sicherheit verlassen können.“
War der Berliner Mietendeckel nur ein Experiment der Berliner Senatspolitik oder ein wirksames Mittel, dass nun doch nicht sein Ziel erreichen kann? Den Berliner Mieter*innen hat es übergangsweise geholfen. Doch jetzt stehen sie vor einer großen Unsicherheit und sind aller Wahrscheinlichkeit nach von finanziellen Rückforderungen betroffen. Keine ideale Wohnungspolitik, um Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. (kk)