Corona nervt – doch immerhin: Fahrrad fahren wird immer beliebter
Der Anbieter von Fahrrad-Abonnements Swapfiets erfährt seit Mitte März einen Boom – dank Corona, wie eine Studie zeigt. Der Berliner Senat schließt sich dem Trend an und baut Pop-up Radwege. Nicht jeder ist darüber glücklich und es bleibt offen, welche der neuen Fahrradwege nach der Krise bleiben.
Corona bringt der Fahrrad-Branche einen Aufschwung
Man konnte es sich eigentlich schon denken: In Zeiten einer Pandemie werden Bahn und Bus deutlich unattraktiver, Autos können sich gerade jetzt viele nicht leisten und das gesteigerte Umweltbewusstsein in der Bevölkerung tut ihr Übriges: Fahrrad fahren wird als positiver Nebeneffekt der Krise immer beliebter. Das ergab nun auch eine Studie von Swapfiets. Das Unternehmen bietet Fahrrad-Abonnements an und vermerkt einen deutlichen Kundenzuwachs. Unter den Neukunden gaben 42 Prozent an, dass das Corona-Virus ihre Wahl ein Fahrrad-Abonnement abzuschließen maßgeblich beeinflusste. Das gesteigerte Gesundheitsrisiko in öffentlichen Verkehrsmitteln und dessen eingeschränkte Fahrpläne in den ersten Pandemiewochen vermerkten die Teilnehmer der Studie als Hauptgründe.
Berlins neue Pop-up Wege – temporär oder langfristig?
Gerade in Berlin bietet sich der Umstieg auf das Fahrrad derzeit an. Der Senat nutzt die Zeit des Homeoffice, um auf den verkehrsruhigen Straßen „Pop-up“ Radwege zu installieren. Zunächst sind die provisorischen Radwege nur temporär angelegt. Da die Verkehrswende auf Grund der Klimakrise unabhängig stattfindet, könnten einige Strecken jedoch auch langfristig bleiben. Zu den Gegnern der neuen Radwege gehören der Unternehmensverband Berlin-Brandenburg (UVB) und der ADAC Berlin-Brandenburg.
Schwache Kritik von ADAC und UVB
In einer Diskussion Ende April warf Volker Krane, Verkehrsvorstand des ADAC, dem Senat vor, die aktuelle Situation zu nutzen, um „Partikularinteressen“ durch zusetzten. „Das ist alles andere als sachgerecht“, sagte Krane, laut Berliner Morgenpost. Des Weiteren sei zu erwarten, dass bei Ende der Pandemie die Anzahl der Autos im Verkehr wieder drastisch steigen werde. „Auch wenn der Pkw-Verkehr an den betroffenen Abschnitten aktuell noch fließt, bedeutet das nicht, dass dies auch nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen der Fall sein wird“. Die Pop-up-Wege sollen nach Ende der Pandemie wieder abgeschafft werden, forderte Krane.
Ähnlich argumentierten auch die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB): „Die Senatsverwaltung für Verkehr baut im Handstreich den Verkehrsraum in Berlin um, ohne die Belange der Wirtschaft zu berücksichtigen.“, so Christian Amsinck. „Das Argument, Radfahrer vor Corona-Ansteckungen schützen zu wollen, halten wir für vorgeschoben“. Kommende Staus seien vorprogrammiert.
Berliner Senat verteidigt sein Vorgehen
Verkehrssenatorin Regine Günther wies den Vorwurf, der Senat würde die Pandemie ausnutzen, zurück. „In der Corona-Krise kommt es darauf an, die Mobilität in der Stadt bestmöglich zu verteilen, damit das Abstandsgebot eingehalten werden kann.“ Die Verkehrswende sei schon lange geplant, den Ausbau der Radnetzes habe man nur vorgezogen. Von daher sei es das Ziel, aus den vorgezogenen Maßnahmen möglichst überall dauerhafte Anordnungen zu machen. Außerdem würden durch bessere Umstände für die Radfahrer mehr von dem Auto auf das Fahrrad wechseln. Somit werden die Staus in Zukunft nicht zu- sondern abnehmen. „Wir wollen mit der Stärkung des ÖPNV und des Rad- und Fußverkehrs den Platz besser und gerechter verteilen.“ Dann kämen auch jene besser durch, die auf das Auto angewiesen seien, ergänzte Günther ihre Argumentationskette.
Corona beschleunigt die Verkehrswende in ganz Europa
Die Verkehrswende in Berlin entspricht in jedem Fall dem Geist der Zeit. Großstädte in ganz Europa beschleunigen derzeit die Verkehrswende. So baut Paris ähnlich wie Berlin seine Fahrradwege durch Pop-up Spuren aus. Mailand sowie Brüssel gehen noch ein Schritt weiter: Sie geben Fußgängern und Fahrradfahrern Vorrang vor dem motorisierten Verkehr. Zudem darf man in der Brüsseler Innenstadt nur noch 20 km/h fahren, in der Mailänder sind es noch 30. Die beiden Metropolen haben bereits angekündigt die Maßnahmen langfristig durchsetzen. Denn eins ist sicher: Auch wenn Corona verschwindet, der Klimawandel bleibt. (aak)