Berliner Kunstmarkt: Marke, Mittler, Mehrwertsteuer
Zu der Frage: „Künstler, Händler, Sammler – Wohin geht der Berliner Kunstmarkt?“ fand am Dienstag das vierte Hautstadtkulturgespräch in der Bertelsmann-Repräsentanz im Kommandantenhaus an der Prachtstraße Unter den Linden statt. Das hochrangig besetzte Podium wurde von Kilian Jay von Seldeneck, Geschäftsführer des Kunsthauses Lempertz moderiert. Wo früher ein Künstler ein Werk erstellte, es seinem Galeristen übergab und dieser dafür einen Käufer fand und schließlich die Einnahmen zwischen Künstler und Galerist aufgeteilt wurden, ergibt sich heute die Frage, ob dieses klassische Setup so überhaupt noch funktioniert.
Verbindung von Künstler und Sammler näher
Die junge, erfolgreiche Künstlerin Alicja Kwade bestätigte, dass es das klassische Setup nur noch vereinzelt gäbe. Da die Digitalisierung neue, direktere Formen der Kommunikation zwischen Künstler und Sammler ermögliche, sei der Künstler nicht mehr abhängig von der klassischen Rolle des Galeristen, kommentierte Kwade die aktuelle Situation am Berliner Kunstmarkt. Die Zwischeninstanz des Galeristen falle mehr und mehr weg, wodurch eine andere Beziehung zwischen Künstler und Sammler entstünde. Sammler möchten durch einen Atelierbesuch die Authentizität des Künstlers und des Kunstwerkes erleben.
„Der klassische Galerist als Händler von Kunst wird obsolet“
Johann König, selbst Inhaber einer Galerie, sieht die Zukunft des Galeristen als „Künstlergalerist“. Er verkörpert genau dieses Rollenverständnis. So ist seine Galerie ein Hybrid zwischen Galerie, Museum und Erfahrungsort. Das alte Galeriengeschäft funktioniere nicht mehr, so König, ein Galerist müsse sein Verständnis an Dienstleistungen für Künstler verändern, das mehr ist als nur der Vertrieb von Kunstwerken.
Rahmenbedingungen für Künstler am Berliner Kunstmarkt mangelhaft
Mangel an Räumen, Mieten wie für ein Atelier in London oder Paris – Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverbandes für Galerien und Kunsthändler sorgt sich vor allem um die aktuellen Rahmenbedingungen für Künstler in Berlin. Er stellte die Frage in den Raum: Wenn die Hauptstadt Kunst und Kultur als ihren Markenkern verstehe, wie viel sei Berlin dann bereit dafür zu investieren?
Sammler Thomas Olbricht griff diese Frage auf. Er erwarte von Seiten der Politik weniger handfeste finanzielle Unterstützung, als vielmehr Unterstützung, die er als soft facts bezeichnete. Hierbei ging es ihm vor allem um die Frage, wie Flächen genutzt werden können, die nicht explizit für Kunst und Kultur ausgewiesen sind oder gar einem anderen Zweck vorbehalten sind? So habe ihn der ehemalige Regierende Bürgermeister und VBKI-Präsidiumsmitglied Klaus Wowereit beim Aufbau seines me Collectors Room in der Auguststraße gerade mit diesen nichtfinanziellen Hilfen maßgeblich unterstützt.
Öffentliche Hand wichtige Unterstützerin, aber auch nicht perfekt
An diesem Abend wurde deutlich, dass die öffentliche Hand als Ermöglicherin von Kunst und Kultur von allen Anwesenden wertgeschätzt wird. So verwies Alicja Kwade beispielsweise auf ihr Stipendium durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes, das ihr die Möglichkeit gegeben hat, Künstlerin zu werden. König und Jarmuschek kritisierten die höhere Mehrwertsteuer in Deutschland für Kunst, die Galerien und Künstler ökonomisch ins Ausland zwingen. Gleichzeitig lobten sie aber auch die wertschätzende Unterstützung durch die Senatsverwaltung, die sich auch dadurch auszeichne, dass ausreichend Personal für die Belange der Kunst- und Kulturszene zur Verfügung steht.
Gute Zukunft für den Berliner Kunstmarkt!
Zum Abschluss des Gesprächs verwies Olbricht auf die Vorzüge Berlins im Vergleich zu allen anderen Städten Deutschlands. Sie sei die einzige internationale Stadt in Deutschland und mit der Berlin Art Week und dem Gallery Weekend blendend aufgestellt, hieß es von dem Sammler. Er und viele andere aus dem geladenen Podium sehen in Bezug auf den Berliner Kunstmarkt positiv in die Zukunft. (aw)