Berlin auch 2024 Wachstums- und Jobmotor
Sie blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2023 zurück: Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, holte die weltgrößte Technologie- und Startup Messe GITEX aus Dubai nach Berlin und schaffte es, den Solarausbau der Stadt im Vergleich zu 2022 fast zu verdreifachen. Welche Pläne die Senatorin für 2024 hat, verrät sie im Interview mit der BERLINboxx.
Im Dezember fand in Dubai die Weltklimakonferenz statt. Fazit: Es geschieht zu wenig, zu langsam. Wie kommt Berlin beim Klimaschutz voran?
Wir müssen trotz aller Hürden und mancher Rückschläge auf eine internationale Verständigung und auf gemeinsames Handeln hinarbeiten. Wir leisten unseren Beitrag und arbeiten daran, dass Berlin deutlich vor dem Jahr 2045 klimaneutral wird. Im vergangenen Jahr konnten wir auf einigen zentralen Feldern große Schritte nach vorne gehen. Dazu zählt das Vorantreiben der Transformation der Wärmeversorgung, die heute noch gut 40 Prozent der CO2-Emissionen in Berlin ausmacht. Wird die Wärmeversorgung nicht klimaneutral, wird Berlin auch nicht klimaneutral. Deswegen ist es das wichtigste Vorhaben unserer Energiepolitik, in dieser Legislatur die Kraftwerke und das größte Fernwärmenetz in Westeuropa vom Vattenfall Konzern zurückzukaufen und die Wärme wieder nach Hause in Landeshand zu holen. Mit der Wärme in Landeshand können wir das Tempo bei der Dekarbonisierung direkt bestimmen und erhöhen und die notwendigen Investitionen in die Dekarbonisierung tätigen.
Die Wärme nach Hause zu holen ist ein Schritt, aber wie will Berlin die Wärme klimaneutral machen?
Statt Kohle, Gas und Öl soll in Zukunft grüner Wasserstoff zu einem sauberen Kraftstoff für Schwerlastverkehr, Industrieproduktion und eben für die Wärmeversorgung in Berlin werden. Zusammen mit der GASAG, der NBB und weiteren Partnern haben wir einen Wasserstoff-Fahrplan aufgelegt, um Berlin an die entstehenden Wasserstofftrassen in Ostdeutschland anzubinden und unser Gasnetz für den Transport von Wasserstoff vorzubereiten. In der ersten Ausbauphase wollen wir bereits ab dem Jahr 2030 in der Lage sein, gut 50 Prozent des heute noch benötigten Erdgases durch Wasserstoff zu ersetzen. Wir setzen hier vor allem auf die Kooperation mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die sich zu Produzenten von grünem Wasserstoff entwickeln, und auch Polen bietet in dieser Hinsicht Potenzial, das wir künftig noch mehr nutzen wollen.
Wie steht es um den Ausbau erneuerbarer Energien in Berlin?
Wir brauchen verschiedene Bausteine, und unsere Aufgabe ist es, diese richtig zusammenzusetzen. In der Wärmeversorgung ist das neben dem Wasserstoff auch die Nutzung von Abwärme, sei es aus Produktionsprozessen, Abwässern oder Flüssen, und natürlich auch die Wärmepumpe. Eine wichtige Rolle kann auch die Tiefengeothermie spielen, deren Potenzialerkundung wir in Berlin gerade mit zusätzlichen Probebohrungen deutlich ausweiten. Wir bewerten aktuell auch die Windkraftpotenziale in Berlin, um künftige Flächen für Windkraftanlagen ausweisen zu können. Das größte Potenzial liegt aber eindeutig auf unseren Dächern.
Aktuell macht die Berliner Solarenergie gerade einmal 3,5 Prozent aus. Sie wollen 25 Prozent bis 2035 erreichen…
Wir haben 2023 rund 10.000 neue Solaranlagen in Berlin ans Netz angeschlossen, das ist ein Rekord und fast eine Verdreifachung verglichen mit 2022. Auch bundesweit gehören wir damit zur Spitze des Solarausbaus. Dieses Tempo wollen wir halten und bis zum Jahr 2035 die Zielmarke von 25 Prozent Solarstrom „Made in Berlin“ erreichen. Wir sehen, dass immer mehr Berlinerinnen und Berliner mitmachen, und wir unterstützen sie gezielt mit Beratung und Förderprogrammen. Zum Beispiel mit dem 500 Euro Zuschuss für Balkonsolaranlagen für Wohnungen, Eigenheime und Gartenlauben. Das sind die vielen kleinen Räder, die die Energiewende antreiben, so wie es auch die großen gibt. Mit 20.000 Paneelen entsteht gerade auf den Hallendächern unserer Messegesellschaft Deutschlands drittgrößte Solaranlage. Ein Mega-Projekt, und es gibt noch weitere in der Pipeline. Die Berliner Unternehmen nutzen bislang nur drei Prozent des Solarpotenzials auf ihren Dächern. Hier geht noch deutlich mehr.
Wie stand es um die Berliner Wirtschaft im Jahr 2023? Wie schätzen Sie die Entwicklung in diesem Jahr ein?
Die abschließenden Konjunkturzahlen für das Jahr 2023 werden wir erst im März kennen, aber wir gehen von einem moderaten Wachstum aus, trotz Rezessionssorgen und schwieriger Gesamtlage in Deutschland. Ein Plus von rund einem Prozent erscheint realistisch und damit dürften wir auch wieder besser als der Bundesschnitt liegen. Berlin ist weiterhin ein Jobmotor und hat im vergangenen Jahr mehr als 20.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hinzugewinnen können.
. Damit liegen wir zusammen mit Hamburg an der Spitze der Bundesländer. Auch für das laufende Jahr erwarten unsere Ökonomen eine Entwicklung, die positiver ausfallen dürfte als der Bundestrend. Wobei klar ist, dass wir uns davon nicht völlig abkoppeln können und auch bei uns einige Branchen unter großem Druck stehen.
Also Sorgenfalten für die Zukunft?
Berlin hat seit gut zehn Jahren ein deutlich besseres Wirtschaftswachstum als das Gros der Bundesländer. Wir gehören inzwischen zu den Zugpferden der deutschen Wirtschaft, wir sind Teil einer aufstrebenden ostdeutschen Metropolregion, und wir haben die besten Voraussetzungen, auch in den kommenden Jahren eine gute Entwicklung zu erreichen. Das ist aber kein Selbstläufer. Gerade was die notwendige Transformation der Unternehmen angeht, müssen wir schneller werden und wollen diese Beschleunigung auch im Rahmen unseres geplanten Sondervermögens für Klimaschutz, Resilienz und Transformation gezielt unterstützen. Es muss klar sein, dass sich an dieser Stelle die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes entscheidet. Das gilt für ganz Deutschland. Wir brauchen jetzt die notwendigen Zukunftsinvestitionen, und deshalb halte ich eine zügige Reform der Schuldenbremse für dringend geboten.
Ein Standortvorteil Berlins ist seine breit gefächerte Forschungs- und Wissenschaftslandschaft. Wie wollen Sie die Ansiedlung innovativer Unternehmen fördern?
Drei Argumente helfen uns dabei: Berlins Internationalität, die Anziehungskraft für Talente, und das herausragende Innovationsumfeld in Berlin und der Metropolregion. Dass sich die weltgrößte Technologie- und Startup Messe GITEX aus Dubai dafür entscheidet, mit ihrem Europa-Megaevent ab 2025 nach Berlin zu kommen, ist nur ein Beispiel - und eben kein Zufall. Wir arbeiten daran, Berlin Schritt für Schritt zur Innovationsmetropole Nummer eins in Europa zu machen. Dafür stärken wir auch die Vernetzung und den Transfer zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft über die elf Berliner Zukunftsorte, aber auch neue Initiativen wie KMU-Büros an unseren Hochschulen und neue Kooperationen zwischen der IHK mit der Hochschullandschaft.
Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial und Handlungsbedarf?
Wir gehören international wieder zu den Topzielen. Aber die Branche leidet immer noch unter den Langzeitfolgen der Corona-Krise. Viele Unternehmen konnten in den Jahren 2020 bis 2022 kaum Investitionen tätigen. Deswegen ist es richtig, dass wir das Neustartprogramm zum Resilienzprogramm weiterentwickeln, das zielgenau der Hotellerie, Gastronomie und der Kongresswirtschaft hilft, sich zukunftsfest aufzustellen. Was uns allerdings weiterhin fehlt, sind angemessene Verbindungen mit internationalen Wirtschafts- und Tourismuszentren. 34 Jahre nach dem Mauerfall zählen wir in Ostdeutschland ganze 6 Langstreckenflüge pro Tag, verglichen mit 180 von westdeutschen Flughäfen. Dabei gibt es Airlines, die den Flughafen BER anfliegen wollen. Wie etwa Emirates, aber seit Jahren sperrt sich die Bundesregierung dagegen. Auch die Lufthansa würden wir am Flughafen der deutschen Hauptstadtregion gerne öfter sehen, nicht nur auf der Strecke nach München und Frankfurt. (bk)
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Printausgabe Januar/Februar der BERLINboxx.
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