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„Mit diesem Bundeskanzler wird sich nichts ändern“
Als Chef der Programm- und Grundsatzkommission ist er für die inhaltliche Erneuerung seiner Partei verantwortlich | Foto: Thorsten-Schneider

„Mit diesem Bundeskanzler wird sich nichts ändern“

02. Januar 2024

Kreativ und knallhart zugleich: Dr. Carsten Linnemann, MdB, ist immer für eine Überraschung gut. Ob mit seinem Vorstoß zur Abschaffung des Bürgergelds, der Idee eines Gesellschaftsjahrs für Schulabgänger, der Forderung nach einer Verschärfung der Asylpolitik oder der Weiternutzung der Kernkraft – der ebenso eloquente wie durchsetzungsstarke Konservative packt gern heiße Eisen an. Im Exklusivinterview mit der BERLINboxx rechnet der CDU-Generalsekretär mit der Ampel-Regierung ab und plädiert für Neuwahlen.

Sie haben sich mehrfach für die Abschaffung des Bürgergelds ausgesprochen. Was soll an dessen Stelle treten?

Uns geht es beim Bürgergeld um Gerechtigkeit. Der Name ist am Ende egal, es muss ein System geben, das jene, die die Hilfe brauchen, stützt und gleichzeitig die richtigen Anreize setzt. Das System muss fördern und fordern. Letzteres kommt im Bürgergeld zu kurz. Wir wollen ein System, das Menschen schnell wieder in Arbeit bringt. Das hat ja nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung, Arbeit bedeutet auch Teilhabe. Dieses Prinzip wollen wir wieder stärken.

Deshalb werden wir das Bürgergeld in seiner jetzigen Form wieder abschaffen. Es schafft die falschen Anreize. Für viele Menschen lohnt es sich gar nicht mehr zu arbeiten. Für uns steht fest: Wir wollen weniger Gießkanne. Der Staat muss vor allem jene in den Blick nehmen, die auf seine Hilfe angewiesen sind. Wer aber arbeiten kann, muss seinen Beitrag zum Gemeinwohl und unserem gemeinsamen Wohlstand leisten. Das ist gelebte Solidarität.

In diesem Kontext fordern Sie eine Arbeitspflicht für Bezieher von Bürgergeld. Wäre das ein erster Schritt zur Wiederherstellung des Lohnabstandsgebotes?

Es gibt in Deutschland keine allgemeine Arbeitspflicht, die fordern wir auch nicht. Wer nicht arbeiten will, muss das nicht. Aber dann darf man im Umkehrschluss auch nicht die Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen.

Davon unabhängig ist allerdings der geringe Abstand zwischen Bürgergeld und niedrigen Löhnen ein Problem. Es ist auch nicht vermittelbar, dass jemand, der täglich arbeiten geht, fast nicht mehr bekommt als der, der nicht arbeitet. Und es ist auch problematisch, wenn das so genannte Bürgergeld deutlich stärker ansteigt als sämtliche Tarifverträge der Republik. Das schadet der Akzeptanz und setzt die falschen Anreize.

Die ungebremste Migration ist eine Belastungsprobe für unser Sozialsystem und birgt Sprengstoff für unsere Gesellschaft. Wann kommen endlich wirksame Maßnahmen – Stichwort: Pull-Faktoren?

Sicherlich dürfen wir auch über unsere Sozialleistungen keine weiteren Pull-Faktoren setzen. Wir müssen aber vorher ansetzen. Wir müssen die illegale Migration nach Deutschland stoppen. Nach Deutschland kann nur noch kommen, wer vorher einen positiven Asylbescheid erhält. So ziemlich alle Migrationsforscher sind sich einig: Wenn man dieses Ziel erreichen möchte, müssen die Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden. Die Ampel verweigert sich dem, aber das wäre ein wichtiger erster Schritt. Wir wollen ein System, das den Prinzipien von Humanität und Ordnung folgt und sich an der Integrationsfähigkeit unseres Landes und seiner Infrastruktur orientiert.

Das sozialdemokratisch regierte Dänemark fährt einen knallharten Kurs in der Migrationspolitik, u.a. mit Quoten für Stadtquartiere. Ein Vorbild für Deutschland?

Dänemark hat Sozialleistungen zurückgefahren und Grenzkontrollen eingeführt. Das war sicherlich richtig. Aber die Menschen sind ja erst einmal da, und damit müssen wir umgehen. Wichtig ist, dass wir die illegale Migration nach Deutschland stoppen. Unsere Infrastruktur ist darauf nicht ausgelegt, unsere Kommunen ächzen, dass sie ihrer Integrationsaufgabe nicht mehr gerecht werden.

Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist insbesondere im Energiebereich krachend gescheitert. Droht jetzt der Absturz in die Rezession?

Das hoffe ich nicht. Es war ein Fehler der Ampel, die noch laufenden Kernkraftwerke abzustellen und so das Energieangebot zu verknappen. Als CDU werben wir für Pragmatismus in der Energieversorgung. Energie muss sicher und bezahlbar sein und sie sollte möglichst wenig CO2 ausstoßen. Das erfordert natürlich den Ausbau Erneuerbarer Energien, aber vor diesem Hintergrund können wir auf Kernkraft nicht verzichten.

Stünde die Union noch vor Ende der Legislatur für eine Große Koalition zur Verfügung?

Machen wir uns nichts vor: Mit diesem Bundeskanzler wird sich doch nichts ändern. Nach jedem Gipfel holt er das rhetorische Feuerwerk raus, dann hören wir irgendeinen Superlativ: Bazooka. Wumms. Doppelwumms. Historisch. Nur: Daraus folgt nichts, alles verpufft zu heißer Luft. Tatsache ist doch, dass die gesamte Ampel, über alle Parteien hinweg, sich nur noch im Streit verbunden ist. Es wird immer klarer, dass diese Ampel nie eine gemeinsame Idee, eine gemeinsame Erzählung für unser Land hatte. Wenn ihr jetzt die Gemeinsamkeiten ausgehen und sie scheitert, dann muss es Neuwahlen geben.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Printausgabe Januar/Februar der BERLINboxx.

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