Zukunftstag Mittelstand: Deutschland stärken
Motor und Magnet Mittelstand: Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hatte zum Zukunftstag Mittelstand in die Hauptstadt eingeladen – und mehr als 5.000 mittelständische UnternehmerInnen kamen in der STATION Berlin am Gleisdreieck zusammen. Auf über 90 Ständen präsentierten mittelständische Innovatoren (Welt)Marktneuheiten. Für internationales Flair sorgten neben diplomatischen Vertretern aus 50 Ländern die litauische Premierministerin Ingrida Simonyte, Thailands Premierminister Srettha Thavisin sowie sein Amtskollege Anwar Ibrahim aus Malaysia. Dem wollte die Bundesregierung nicht nachstehen. Beim wichtigsten Wirtschaftsevent des Jahres bekundeten gleich fünf Kabinettsmitglieder die Verbundenheit mit der wichtigsten Kraft der deutschen Wirtschaft durch ihre persönliche Teilnahme. Und so konnte Christoph Ahlhaus, Vorsitzender der BVMW Bundesgeschäftsführung, Dr. Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales und Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr auf der Bühne begrüßen.
„Rauft euch zusammen und bringt das Land wieder in Ordnung"
Mit dieser kritischen Mahnung an Bundesregierung und Opposition gleichermaßen eröffnete Christoph Ahlhaus das Unternehmertreffen der Superlative. Deutschland drohe den Anschluss an die Weltwirtschaft zu verlieren, warnte der frühere Hamburger Innensenator und Erste Bürgermeister. Sorge bereitet den Millionen Mittelständlern vor allem die stetig steigende Bürokratie- und Abgabenlast, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährde. Höchste Zeit also für eine spürbare und nachhaltige Entlastung der Unternehmen. „Es ist eine Minute vor zwölf. Den Mittelstand zu retten, ist unsere Botschaft“, so Ahlhaus.
Mehr Anreize für Arbeit
Beim Gipfeltreffen des Mittelstands durfte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nicht fehlen. „Ich bin auch Ihr Anwalt“, warb der Grüne Minister ebenso emotional wie bestimmt um die Gunst der UnternehmerInnen. „Ich will dafür kämpfen, dass der Mittelstand diese schwierige Zeit gut übersteht und stärker rauskommt.“ Und lobte: „Der Mittelstand ist nicht nur Rückgrat, sondern auch Herz und Puls der deutschen Wirtschaft“. Deutschland lebe vom Mittelstand. „Wir müssen uns entscheiden, mutig und risikobereit zu sein.“ Seine Hommage an das mittelständische Unternehmertum verband der frühere Bundesvorsitzende der Grünen mit einem demonstrativen Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft.
Habeck forderte zugleich eine Rückbesinnung auf den Wert der Arbeit, die dem Menschen Würde und Anerkennung verleihe. Deshalb müsse es mehr Anreize für Arbeit geben – auch und gerade nach Erreichen des Rentenalters. Wer arbeiten wolle, solle arbeiten dürfen. Entsprechend kritisch kommentierte er die Streikwellen, unter denen viele Betriebe und Bürger leiden. Es werde „ein bisschen im Moment zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt beziehungsweise geworben“. Nicht zuletzt diese klaren Worte dankten ihm die Mittelständler mit starkem Beifall.
Zukunftspreis für Top-Innovatoren
Ein Höhepunkt des Megaevents war die Ehrung der Impulsgeber innovativer Mittelständler. In Kooperation mit dem SZ Institut verlieh der BVMW den Zukunftspreis Mittelstand an drei Vorzeigeunternehmen, die nicht nur die Wirtschaft am Laufen halten, sondern den Standort Deutschland gerade in Krisenzeiten voranbringen. „Wir wollen Unternehmen in ihrer Innovationskraft unterstützen, aber auch Anerkennung zeigen“, würdigte Mittelstandschef Ahlhaus deren außergewöhnliche Leistungen. Der hochkarätig besetzten Jury gehörten neben Gastgeber Christoph Ahlhaus und Dirk von Gehlen (Direktor Think Tank, SZ Institut), Dr. Sonja Sulzmaier (BVMW-Kommission Start-ups und Unternehmensgründungen), Jeannette Peters (Gründerin Jpeters Consult, Vorsitzende der BVMW-Kommission Unternehmensnachfolge), Prof. Dr. Henning Vöpel (Vorstand Centrum Europäische Politik und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des BVMW) und Sebastian Krauß (Leiter Public Affairs, BVMW) an.
Die JurorInnen hatten die Qual der Wahl: Am Ende setzten sich unter den 100 Top-KandidatInnen drei durch. Das Familienunternehmen Kübler Group aus Villingen-Schwenningen sicherte sich Platz drei mit maßgeschneiderten Lösungen zur energieeffizienten Beheizung und Beleuchtung von Hallen. Silber ging an das Bauunternehmen Brüninghoff Group mit sechs Standorten in Deutschland, das sich für Kreislaufwirtschaft beim Bauen einsetzt. Den ersten Platz errang GP JOULE GmbH. Der integrierte Energieversorger aus Reußenköge in der Nähe von Flensburg ist in allen Teilen der Energie-Wertschöpfungskette aktiv, mit dem Fokus auf Renewables und Wasserstoff.
NAWIDA mit digitaler Weltneuheit
Neben den Panel Talks und Side Events bildeten die 90 Informationsstände von Ausstellern aus aller Welt ein Herzstück des Zukunftstages. Hier konnten sich die UnternehmerInnen einen umfassenden Überblick über technologische Neuheiten und kundenorientierte Lösungen, die Entwicklung in einer bestimmten Branche sowie aktuelle Markttrends verschaffen.
Dank einer Weltneuheit stand das Berliner Start-Up NAWIDA, eine Tochtergesellschaft der PSD Bank Berlin-Brandenburg, im Mittelpunkt des Interesses der UnternehmerInnen. Gemeinsam präsentierten NAWIDA-Geschäftsführer Marc Fischer und PSD-Vorstandssprecherin Grit Westermann das innovative Digitaltool.
Der Clou: NAWIDA prognostiziert die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens für die nächsten zwei Jahre. Die Software analysiert dazu mit Hilfe von KI und Smart Data weltweite Trends und kann so den Bedarf für definierte Zielgruppen ermitteln, oder wie Kundenbeziehungen auf Trends auszurichten sind und so bedarfsgerecht weiterentwickelt werden können. Damit nicht genug, kann die KI-basierte Plattform Unternehmen in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels bei der Suche nach Personal unterstützen. Ein Booster für die Wettbewerbs-, Innovations- und Zukunftsfähigkeit jedes Mittelständlers.
FDP verhindert (noch) Schlimmeres
Lob auf offener Bühne gab es eingangs für Christian Lindner. Der Mittelstand sei der FDP dankbar, so Christoph Ahlhaus, dass sie in der Ampel und in Brüssel regelmäßig Schlimmeres verhindere. Der Bundesfinanzminister wiederum dankte dem Gastgeber – wohl mit Blick auf die aktuell schlechten Umfragewerte der Liberalen – launig für die „geradezu karitativen Worte“ und die Rückenstärkung durch den BVMW.
Kampf dem Bürokratismus
Dann ging es zur Sache. Rhetorisch brillant wie immer, forderte Lindner nichts weniger als eine Wirtschaftswende. Ein zentraler Punkt müsse dabei der Bürokratieabbau sein. Denn der Standort Deutschland leide unter einem Bürokratie-Burnout, diagnostizierte der Bundesfinanzminister in seiner frei gehaltenen Keynote. Den Bürokratismus geißelte er als ein „Misstrauensvotum gegenüber freien Bürgerinnen und Bürgern und ihrer Urteilskraft“.
Der Sozialstaat sei im vergangenen Jahrzehnt zu sehr ausgebaut worden. Den erreichten Wohlstand zu verteilen oder zu verwalten, reiche nicht mehr aus, stichelte der FDP-Vorsitzende in Richtung der Koalitionspartner SPD und Grüne. „Wir müssen weg von einer Wohlstandspolitik und an die Wirtschaft denken.“ Dies schaffe die Grundlage für neuen Wohlstand. Deutschland habe vor zehn Jahren noch auf Platz vier der wettbewerbsfähigsten Länder gestanden, heute auf Platz 22.
Klartext dann, wie der Weg zurück an die Spitze gelingen soll. Der FDP-Chef plädierte für ein Ende des Solidaritätszuschlags und die Abschaffung der Rente mit 63, warnte vor einer höheren Staatsverschuldung. Die Energiepolitik müsse sich daran orientieren, was physikalisch möglich ist. Nicht nur in diesem Punkt konnte sich Lindner der Zustimmung der UnternehmerInnen sicher sein. „Deutschland sollte in der Energiepolitik über den nationalen Tellerrand schauen“, befand Drazen Nikolic, CEO des Weltmarktführers für Dekarbonisierung, Univers.
Schneller Ausbau der Netzwerke
Ein eher freundliches Bild der wirtschaftlichen Lage zeichnete Volker Wissing und begründete dies mit Fortschritten in der Digitalisierung. „Sie sind ein bedeutender Standort- und Wettbewerbsfaktor. Sie sind die Grundlage für Innovationen und Geschäftsmodelle.“ Sie – das sind die digitalen Netze, deren Ausbau auf Hochtouren laufe. „So schnell wie jetzt ging es noch nie voran“, bilanzierte Lindners Kabinetts- und Parteikollege. Inzwischen seien 90 Prozent des Landes mit Mobilfunk auf 5G-Level ausgestattet, bis 2030 soll das Netz komplett sein. Im Autobau nehme Deutschland noch immer eine führende Position ein.
Dennoch müssten die Prozesse in der Mobilität und Logistik vereinfacht werden.
Deutschland auf Digitalisierungskurs
Künstliche Intelligenz (KI) sei ein weiterer wichtiger Standortfaktor. An dieser Stelle bat Deutschlands oberster Digitalisierer die UnternehmerInnen um Unterstützung. Er brauche „viele Verbündete“. Vielleicht auch, weil bisher erst 13 Prozent der Mittelständler KI in ihren Unternehmen einsetzen. Keine Zukunft ohne KI, und keine KI ohne Daten: „Sie müssen möglichst breit verfügbar, einfach zugänglich und nutzbar sein.“ Ein freundlicher Fingerzeig an die Adresse der Regulierer in Brüssel.
Aber auch in puncto Verkehr zeigte sich der zuständige Bundesminister zuversichtlich: „Wir haben im Automobilbereich immer noch eine Vorreiterstellung.“ Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müsse Deutschland technologieoffen sein. Eine Forderung, die von den UnternehmerInnen mehrheitlich geteilt werden dürfte. „Verbrennertechnik und E-Mobilität sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden“, sagt Markus Wenzel, Zeitstrom. Deutschland braucht Ladeinfrastruktur für nachhaltige Mobilität.
Zukunftsmodell Kreislaufwirtschaft
Ein Kompliment für den Gastgeber stand am Anfang der Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Ihr Verband hatte bereits 2022 einen Leitfaden für zirkuläres Wirtschaften vorgelegt. Das ist, ich hoffe, ich darf das sagen, wirklich vorbildlich.“ Selbstverständlich durfte sie. Und nicht nur das. Unter freundlichem Beifall der mittelständischen ZuhörerInnen warb die Grüne Ressortchefin für das Modell der Kreislaufwirtschaft, nach ihren Worten „die Wirtschaft der Zukunft“. Darauf sollten sich die Unternehmen schon aus eigenem Interesse beizeiten einstellen.
Konstruktiver BVMW
Auch Hubertus Heil fand lobende Worte für den BVMW. Der Bundesarbeitsminister würdigte die konstruktive Arbeit der führenden Mittelstandsvertretung. Diese sei immer gut für Vorschläge, wie man es besser machen könnte. Die Hauptsorge des früheren SPD-Generalsekretärs gilt dem wachsenden Arbeitskräftemangel. Nach seiner Prognose werden bis 2035 sieben Millionen Fachkräfte fehlen.
Mit einem Maßnahmenbündel will die Bundesregierung gegensteuern, von der Erschließung inländischer Potenziale über die Stärkung der betrieblichen Weiterbildung bis zu mehr qualifizierter Einwanderung. Doch gerade beim letzten Punkt sieht Heil Handlungsbedarf. Es könne nicht sein, dass über 700 Verwaltungsstellen für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse zuständig sind. Sein fast flehentlicher Appell an die Mittelständler: „Ich brauche Ihre Hilfe. Machen Sie mit beim Jobturbo!“.
Sein Ruf verhallte nicht ungehört. So stellte beispielsweise das Berliner Start-up NAWIDA, eine Ausgründung der genossenschaftlichen PSD Bank Berlin-Brandenburg, einen digitalen B2B-Marktplatz für Dienstleistungen rund um das Recruitung vor. Die Mission: die Wettbewerbs-, Innovations- und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sichern. „Bei NAWIDA finden Mittelständler die passenden Antworten auf ihre strategischen und operativen Herausforderungen, damit sie nachhaltig erfolgreich sind“, ist PSD-Vorstandssprecherin Grit Westermann überzeugt.
Mehr Macher braucht das Land
Als Vertreter der größten Oppositionspartei nutzte CDU-Generalsekretär Dr. Carsten Linnemann die Gunst der Stunde für eine Generalabrechnung mit der Ampel. Ob Bürgergeld, Bildungspolitik oder Verbrenner-Verbot, die Bundesregierung steuere einen gefährlichen Kurs. Ist der Staat für alles verantwortlich, gehe die Eigenverantwortung vor die Hunde. Es reiche nicht, so Linnemann, nur zu sagen, was die Ampel nicht gut mache. „Wir müssen zeigen, was wir als CDU besser machen“.
Deutschland brauche eine Mentalität des Machens. Das Problem seien die vielen Bedenkenträger in Staat und Verwaltung. Die Menschen müssten wieder in der Lage sein, ihre Ideen zu realisieren, ohne von vornherein abgeblockt zu werden. „Einfach mal machen“, sprach Linnemann den UnternehmerInnen – und wohl auch der eigenen Partei – Mut zu. Damit dürfte Linnemann nicht nur den UnternehmerInnen auf dem Zukunftstag Mittelstand des BVMW aus dem Herzen gesprochen haben.
Den internationalen Handel stärken
Hochrangige Staatsgäste und mehr als 50 Botschaften stellten beim internationalen Wirtschaftsforum das wirtschaftliche Potenzial ihres Landes vor. Mit Erfolg: So unterzeichnete der größte türkische Unternehmensverband, MÜSIAD, eine Absichtserklärung zur Kooperation mit dem BVMW. Handelsminister S.E. Prof. Dr. Ömer Bolat würdigte Deutschland als wichtigsten Handelspartner der Türkei. Auch Litauen möchte seine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland ausbauen, wie Premierministerin Ingrida Šimonyteė in ihrer Keynote ankündigte. Dubais Botschafter S.E. Ahmed Alattar wies auf die Bedeutung der International Free Zone Authority (IFZA) für den weltweiten Handel hin. Die IFZA bilde eine verlässliche Brücke für ausländische Unternehmen, die in Dubai andocken wollen. Thailands Premierminister Srettha
Thavisin sowie sein Amtskollege Anwar Ibrahim aus Malaysia nutzten das Wirtschaftsforum ebenfalls, um neue Handelsbeziehungen zu knüpfen und bestehende zu stärken.
Als einziger deutscher Verband verfügt der BVMW über ein eigenes Netzwerk an Auslandsbüros in über 65 Ländern weltweit. Die Repräsentanzen auf allen wichtigen Wachstumsmärkten fungieren als Brücke zwischen Deutschland und dem jeweiligen Zielland für deutsche Mittelständler. Experten unterstützen BVMW-Mitglieder vor Ort mit einem attraktiven Beratungs- und Serviceangebot beim Auf- und Ausbau ihrer Geschäftstätigkeiten und vernetzen sie mit lokalen Entscheidern.