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Wie New Work das Stadtbild verändert
Arbeiten von jedem Ort auf der Welt aus - sieht so die Zukunft aus? | Foto: Nathan Dumlao on Unsplash

Wie New Work das Stadtbild verändert

30. September 2021

Im Gespräch mit Dr. Markus Eltges, Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt können nicht im luftleeren Raum stattfinden und betrachtet werden. Auf der einen Seite beeinflussen Themen wie Nachhaltigkeit und Klima wie wir heute auf Arbeitsplätze schauen – weniger Pendelverkehr, kurze Wege, Mixed-Use-Quartiere, klimaschonende Bürogebäude. Auf der anderen Seite beeinflusst mobiles Arbeiten zunehmend das Stadtbild. Hinzu kommt, dass Flächen gerade in großen Städten immer knapper werden und Konkurrenz entsteht. Über all das hat die BERLINboxx mit Dr. Markus Eltges, Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gesprochen.

In Berlin werden derzeit viele sogenannte Mixed-Use-Quartiere entwickelt, die in anderen Teilen der Welt schon länger Standard sind. Welche gesellschaftliche Veränderung steckt dahinter?

Die aktuelle Diskussion um gemischte Stadtquartiere und die nutzungsgemischte Stadt schließt immer stärker auch urbane Produktion mit ein. Einige sprechen sogar schon von der Renaissance der produktiven Stadt. Ursächlich für diese Entwicklung sind veränderte Produktionsweisen, verbunden mit neuen Möglichkeiten der Nutzungsmischung. So eröffnen sich neue Entwicklungsoptionen für leerstehende Flächen in den Innenstädten und Quartieren, die in Folge der Corona-Pandemie durch Betriebsschließungen oder Flächenoptimierungen entstanden sind. Zum anderen bieten sich zentrale Standorte in stagnierenden oder schrumpfenden Städten und Gemeinden für Mischnutzungen an, da Flächenangebote für einen neuen Bedarf von Gewerbe- und Produktionsflächen zur Verfügung stehen.

Dieser Trend wird durch neue Technologien und emissionsärmere Produktionsweisen unterstützt. Eine „urbane Produktion“ kann in Quartieren und Innenstädten vor allem in Form kleinteiliger Manufakturen und Handwerksbetriebe die Nutzungsmischung unterstützen. Sie kann dazu beitragen, die lokale Wirtschaftsstruktur breiter aufzustellen. Auch die Arbeitswelt wandelt sich stark. Die Nachfrage nach flexibel und multifunktional nutzbaren Flächen für Co-Working-Modelle steigt. Auch das bietet Chancen für leerstehende Flächen an zentralen Standorten – für Büroarbeit, Kultur- und Kreativwirtschaft und urbane Produktion.

Eine gute Nutzungsmischung sorgt auch für mehr Resilienz in den Städten und Quartieren, durch eine diversifizierte Branchenstruktur und eine Abkehr der Fokussierung auf den Dienstleistungssektor. Die Industrie geht in Regel mit einer hohen Wertschöpfung und Innovationen einher.

Wie stark werden Nachhaltigkeit und Klimabewusstsein die Entwicklung auf dem Büroimmobilienmarkt beeinflussen?

Büroimmobilien sind Eckpfeiler der Investments für Immobilienanleger. Knapp die Hälfte des gesamten Transaktionsvolumens entfiel im vergangenen Jahr auf die Assetklasse Büro. Das Klima- und Nachhaltigkeitsbewusstsein in unserer Gesellschaft hat zugenommen. Das neue Klimaschutzgesetz 2021 spricht eine deutliche Sprache. Auch die EU-Offenlegungsverordnung von Nachhaltigkeitskriterien bei Finanzprodukten sowie die EU-Taxonomie-Verordnung im Hinblick auf Umweltschutzziele tragen zum Klimaschutz bei. Das wirkt sich beispielsweise auf die (Risiko-)Bewertung von Immobilien und damit auch auf die künftigen Anlagestrategien der Investoren in Büroimmobilien aus. Wohnungsnahes Arbeiten und Co-Working können Mobilität und Büroflächenverbrauch ressourceneffizienter und CO2-sparender gestalten.

Für Gebäude des Bundes gelten besondere Anforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit. So ist bei diesen Gebäuden grundsätzlich eine Ökobilanz über den Lebenszyklus zu erstellen und diese zu bewerten. Bei den Bundesbauten gelten darüber hinaus jetzt schon erhöhte Anforderungen an die energetische Effizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien.

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bietet ein Bewertungssystem auf dem privaten Immobilienmarkt an, das mit dem des Bundes vergleichbar ist. Nach Aussage der DGNB ist eine abgeschlossene Nachhaltigkeitszertifizierung für viele Investoren heute ganz wesentlich, um Immobilien erfolgreich zu vermarkten.

Welche Rolle nimmt dabei das Büro in Zukunft ein? Wie wird „Arbeitsplatz“ künftig definiert werden?

Durch die Corona-Pandemie haben Formen der mobilen Arbeit für viele Beschäftigte den Alltag bestimmt. Dabei ist das Phänomen an sich nicht neu, denn es geht um veränderte Arbeitsanforderungen in der digitalen Gesellschaft und einen höheren Anspruch an Flexibilität für die Büroarbeit und ihre Standorte. Ich gehe davon aus, dass die Arbeitswelt rund um das Büro sehr vielfältig sein wird. Wo es organisatorisch geht, differieren die Arbeitsorte zwischen der alten Welt, Co-Working-Spaces in der Nähe der Hauptstandorte bzw. in Satellitenbüros oder im Homeoffice. Unternehmen der IT-Branche arbeiten bereits heutzutage vorwiegend virtuell. Daneben wird es hybride Arbeitsmodelle geben mit tageweiser Präsenz im Büro und im Homeoffice. Es wird aber auch weiterhin Unternehmen geben, die an einer ständigen Präsenz am Bürostandort festhalten. Ich gehe davon aus, dass mobile Arbeitsformen in der Zukunft zunehmen werden. Das ist der Wunsch vieler Beschäftigter. In Zeiten des Fachkräftemangels sind die Unternehmen gut beraten dort, wo es passt, im Wettstreit um die besten Arbeitskräfte zeitlich und räumlich flexible Arbeitsmodelle anzubieten.

Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Umstieg auf mobiles Arbeiten wird sich die Nutzung von reinen Büroflächen ändern. Wie schätzen Sie die Entwicklungen ein?

Der Dienstleistungssektor wird sicher eine tragende Säule unserer Wirtschaft bleiben, was sich in der Anzahl der Büroarbeitsplätze niederschlägt. Künftig wird in einem höheren Umfang mobil gearbeitet. Dieser Umfang lässt sich heute aber nicht solide beziffern. Daher lässt sich die genaue Entwicklung der Büroflächen heute noch nicht vorhersagen. In ein bis zwei Jahren wissen wir mehr. Die Teilzeitarbeitsmodelle haben gezeigt, dass die Beschäftigten vielfach eine stabile Präferenz für die Anwesenheitszeiten im Büro haben. Auch darüberhinausgehende Remote-Working-Konzepte wie angemietete Flex-Office-Flächen etablieren sich zunehmend als Ergänzung, sodass man vielmehr von einem „polylokalen Arbeiten“ als Trend sprechen kann. Dies wäre auch bei hybriden Arbeitsmodellen möglich. Der Bedarf an Kommunikations- und Gemeinschaftsflächen dürfte sich zudem weiter erhöhen.

Sehen Sie räumliche Verschiebungen hin zu Vororten und die Gebiete rund um die großen deutschen Ballungszentren?

Die Bevölkerungsentwicklung in den vielen deutschen Ballungszentren wurde in den letzten Jahren vor allem durch den starken positiven Außenwanderungssaldo getragen. Dieser ist 2020, bedingt durch Corona, eingebrochen. Dadurch haben Städte wie Heidelberg, Karlsruhe oder Stuttgart von 2019 auf 2020 Einwohner verloren – auch wegen vieler Fortzüge. Andere Städte wachsen noch – etwa Potsdam, Leipzig oder München, aber nicht mehr so stark wie 2018 auf 2019. Die Frage wird sein, wie sich die Zuwanderung in den nächsten Jahren entwickelt und wo die Menschen nach der Pandemie leben wollen. Eine aktuelle Frage ist die, welche Städte und Gemeinden im Umland der Metropolkerne unter den veränderten Bedingungen die besten Voraussetzungen zum Wohnen und zum Arbeiten bieten, und für wen welche Voraussetzungen besonders vorteilhaft sind. Noch nicht abzusehen ist, ob Digitalisierung und damit Formen der mobilen Arbeit zu weiteren Verschiebungen von innen nach außen führen. Auch wenn Vermutungen angesichts des enormen Preisniveaus der großen Städte darauf schließen lassen, gibt es dafür noch keine statistischen Belege. Auch hier gilt: In ein oder zwei Jahren wissen wir mehr. Wichtig in diesem Kontext ist aber, dass Unternehmen und Gewerkschaften sich über das Arbeiten in der Zukunft verständigen und die Politik auch im Sinne des Klimaschutzes Anreize für räumlich flexible Arbeitsformen schafft. (aw)