Regina und Tanja Ziegler – die Frauen hinter „Ziegler Film“ und „filmkunst 66“
Regina und Tanja Ziegler agieren meist im Hintergrund. Aber sie sind es, die die Stoffe entwickeln und die Mittel besorgen, damit Fernsehserien und -reihen, wie Weissensee oder Mordkommission Istanbulrealisiert werden können.
Seit 2000 ist Tanja Ziegler als Geschäftsführerin mit im Unternehmen. Nach Stationen in einer Werbeagentur und mehreren Filmproduktionen studierte sie Produktion an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg, gründete ihre eigene Firma Luzi Film, um dann 2000 „gleichberechtigt und erst einmal ein Jahr mit Exit“, wie sie schmunzelnd sagt, bei Ziegler Film einzusteigen. Inzwischen sind es 19 Jahre, zur großen Freude der Mutter, die sich mit Mitte 50 begann, die Frage zu stellen: „Wer mir einmal nachfolgen wird? Dass es meine Tochter sein wird, macht mich natürlich besonders glücklich.“
Regina Ziegler ist seit 46 Jahren Filmproduzentin. 500 Film- und Fernsehproduktionen sind seit 1973 unter ihrem und Tanja Zieglers Namen entstanden. Sie war die erste Frau in dieser Branche, als es dafür noch keinen Studiengang gab.
Produzenten sind nicht nur die Geldgeber
Produzentin zu sein bedeutet, die Finanzierung eines Films auf die Beine zu stellen, die richtigen Leute, sprich Regisseure und Schauspieler zusammen zu bringen, am Set anwesend zu sein und sich als Ansprechpartnerin für die verschiedensten Belange verantwortlich zu fühlen.
Regina und Tanja Ziegler beherrschen diesen Seiltanz und gehören außerdem zu den Produzentinnen, die sich am kreativen Schaffensprozess beteiligen und alle Entwicklungsphasen bis hin zum Schnitt mit verfolgen. Sie bringen die richtigen Leute zusammen, sind Netzwerkerinnen und für viele Schauspielerinnen Sprungbrett zum Erfolg.
Große Fußstapfen
Tanja Ziegler ist quasi am Set und im Kino großgeworden. Doch statt gleich bei der Mutter einzusteigen, ist sie erst einmal ihren eigenen Weg gegangen. Längst sind auch ihre Produktionen preisgekrönt und fanden den Weg auf zahlreiche Filmfestivals. Aktuell bereitet sie einen Kino-Film über die Welt der DDR-Mode mit dem Arbeitstitel: „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ vor. Er handelt von der 17-jährigen Suzie, die sich während ihrer Tätigkeit in der Modewelt zwischen Heimat, Freundschaft und der Karriere entscheiden muss. Grimme-Preisträgerin Aelrun Goette hat das Drehbuch geschrieben und wird Regie führen.
„In der DDR gab es einfach unglaublich viel kreatives Potential. Die Mode, die im Untergrund entstand, war extrem einfallsreich: sie konnte auch aus einem Duschvorhang sein. Der Film feiert die Frauen und Menschen der DDR in all ihren Facetten – stolz, stark, verzweifelnd, verletzlich – taucht aber auch ein in die Subkultur der DDR, die nach außen nicht sichtbar sein durfte“, erzählt Tanja Ziegler. Drehbeginn ist im Sommer 2020.
Nach Berlin, um was zu erleben
1963 verließ Regina Ziegler ihren kleinen Heimatort im Oberbergischen, um sich in Berlin dem Jurastudium zu widmen. Der 19-Jährigen ging es um das Leben in einer großen Stadt, um neue Möglichkeiten und die Chance, etwas zu erleben. Anstatt Juristin zu werden, gründete sie mit Ende Zwanzig eine persönlich haftende Einzelfirma.
Heute gehört Ziegler Film zu den erfolgreichsten, unabhängigen, mittelständischen Produktionsfirmen Deutschlands und reüssiert längst auch international. Neben dem Bundesverdienstkreuz und dem Grimme Preis erhielt Regina Ziegler im Februar 1999 den American Cinema Foundation Award. Das Museum of Modern Art in New York ehrte sie als einzige deutsche Produzentin mit einer Retrospektive und zeigte 22 ihrer Filme. Im Jahr 2018 wurde sie mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis ausgezeichnet. Außerdem produzierte Ziegler Film neben zahlreichen Kinofilmen auch Fernsehfilme, Dokumentationen und Shows.
Das, was ich liebe, darf ich auch beruflich machen
Auch wenn der Arbeitstag von Regina und Tanja Ziegler nicht selten 15 Stunden hat, schätzen die beiden Produzentinnen sich glücklich – denn durch ihre Tätigkeit können sie Privates und Berufliches vereinen. Weil es oft zu spät für Kino ist, sieht sich Regina Ziegler viele Filme zu Hause an. Das, was sie beruflich beschäftigt, klammert sie auch im Privaten nicht aus.
Das Engagement und die harte Arbeit zahlen sich aus. In Berlin bei der Verleihung der Deutschen Filmpreise bekam sie 2016 den Deutschen Filmpreis für ihr Lebenswerk. Die Ehren-Lola hat vor ihr noch keine Produzentin bekommen. In Deutschland gab es Artur Brauner und Horst Wendlandt in Berlin, Gyula Trebitsch in Hamburg und Franz Seitz in München. Bekannte Frauen gibt es leider immer noch nicht so viele in der Branche.
Produzieren war früher Männersache
Filmproduzent und enger Freund Nico Hofmann ist sicher, dass der Erfolg Regina Zieglers allein ihr Verdienst ist. „Sie hat dieses schwierige, männerdominierte Feld aufgeräumt, formal immer wieder neue Felder besetzt, sich besessen für Inhalte interessiert, kein persönliches finanzielles Risiko gescheut, die Karrieren von Regisseuren, Schauspielern, Drehbuchautoren stimuliert und ist darüber zur Ikone geworden.“ Sein Weg vom Regisseur des 1998 von Ziegler produzierten düster-erotischen Psychothrillers Solo für Klarinette zum Produzenten sei maßgeblich von zwei Menschen inspiriert worden: „Bernd Eichinger und Regina Ziegler.“
Gemeinsam mit Tanja Ziegler betreibt Regina Ziegler seit 2011 das Kino „filmkunst 66“ in der Bleibtreustraße. Übernommen haben sie es aus Liebe zum Kino, aber auch aus nostalgischen Gründen, ergänzt Tanja Ziegler. Hier hat 1973 mit der Premiere von Ich dachte, ich wäre tot ja gewissermaßen Reginas Karriere angefangen. Und Tanja Zieglers neuester Film Der Sommer nach dem Abitur wird hier seine Premiere haben.
Das Ziegler-Duo in der Männerdomäne Film
Anfangs hat es für Regina Ziegler etwas gedauert, in der Männerdomäne akzeptiert zu werden: „Aber ich denke: Kompetenz schlägt Geschlecht. Später haben mich die Männer neidlos akzeptiert.“
Auch Tanja wurde anfangs kritisch beäugt. „Man muss lernen drüber zu stehen“. Längst macht Tanja Ziegler ihr eigenes Ding, Filme in allen Genres. Darunter so erfolgreiche wie Vom Ende der Eiszeit mit Veronica Ferres und Mutter muss weg mit Bastian Pastewka & Judy Winter, den 5 Millionen Zuschauer im Fernsehen sahen, sowie der Tatort Wir – Ihr – Sie, um nur einige zu nennen. Ihre letzte Kinoproduktion Mein Blind Date mit dem Leben lockte knapp eine Millionen Besucher in die Kinos und wurde in über 45 Länder weltweit verkauft.
Für Produzenten gab es keine Ausbildung
Das Produzieren konnte man damals an keiner Hochschule studieren. Es war ein Beruf ohne Ausbildung, in der alles nach der Learning-by-Doing-Methode funktionierte.
Die Ziegler-Frauen haben ihren eigenen Stil entwickelt – beider Erfolgsrezept lautet: „Es geht nicht ohne Begeisterung. Natürlich muss man auch andere begeistern, aber das geht nur, wenn man selbst für etwas brennt.“
Was unterscheidet Mutter und Tochter?
Regina Ziegler ist selten am Set, regelt lieber alles in Gesprächen mit Regisseuren und Schauspielern vorher. Sie kann gut delegieren. Mehrere Filme pro Jahr betreut sie noch immer. Allerdings räumt sie auch ein, ungeduldig zu sein: „Tanja gehört einer neuen Generation an. Sie ist ganz anders durch ihr Hochschulstudium in diesen Beruf eingestiegen und produziert auch anders ihre Filme. Doch trotz meiner Erfahrung kann ich noch von Tanja lernen. Zum Beispiel Ruhe und Gelassenheit“.
Ein großer Erfolg ist die von ihr produzierte, horizontal erzählte TV-Serie Weissensee, zu der Annette Hess und Friedemann Fromm die Drehbücher geschrieben haben. Ihr TV-Zweiteiler Gladbeck wurde 2018 mit dem Seoul International Drama Award als bester Film und für die beste Regie ausgezeichnet. 2019 erhielt der Film insgesamt drei deutsche Fernsehpreise, u.a. als bester Mehrteiler. Ihr aktuellstes Projekt ist die Verfilmung des Erfolgsmusicals Ich war noch niemals in New York, die Mitte Oktober in den Kinos in Deutschland, Österreich und der Schweiz anläuft.
Regina Zieglers Antwort auf die Frage, wie sie sich erklärt, dass es so schwierig ist, die Reaktion des Publikums auf ambitionierte Projekte einzuschätzen, klingt fast schon philosophisch. „Man kann den Zuschauern Qualität anbieten, aber eine Garantie, dass sie sie auch annehmen, gibt es nicht.“ Ihre Autobiographie erschien unter diesem Titel: „Geht nicht, gibt’s nicht“.
Ikone für Studentinnen
Nico Hofmann schätzt Regina Zieglers Risikobereitschaft und Innovationskraft. „Wie ich kommt auch sie aus einer Journalistenfamilie, was sich bei der Auswahl der Filmstoffe zeigt. Sie ist eine starke Frau und hat in Deutschland den Beruf der Produzentin maßgeblich geprägt. Die Leidenschaft, mit der sie dafür gekämpft hat, hat sie zu einer Ikone für Studentinnen gemacht. Sie hat ein tolles, sensitives, weibliches Gespür für Stoffe, ist aber auch eine knallharte Geschäftsfrau.“ Sie sei in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für ihn, ganz besonders auch wegen ihrer Integrität. „Wenn Regina an jemanden glaubt, hält sie ihm auch die Treue.“
Deutschland hat keine Stars
Den Deutschen Film auch außerhalb der Bundesrepublik zu etablieren, gehört zu einem der erklärten Ziele von Ziegler Film.
Regina Ziegler erklärt, was ihrer Meinung nach zu den Kriterien eines international erfolgreichen Films gehört: „Ein Problem liegt in der deutschen Sprache, deren Rhythmus sich sehr von dem anglo-amerikanischen unterscheidet und daher schwer zu synchronisieren ist. Zum anderen ist Deutschland kein Land für Stars.“
Auch auf die Frage, welche Eigenschaften zum Erfolg führen, hat sie eine Antwort: „Filmproduzenten müssen eine Mischung aus einer Art Trüffelschwein und Finanzjongleur sein.“
Netflix
Streaming-Anbieter wie Netflix und Co. machen dem Fernsehen Konkurrenz. Hat das TV noch eine Zukunft?
„Nein, das eine schließt ja das andere nicht aus. Wir arbeiten gerne für ARD und ZDF. Und was Netflix betrifft habe ich bei den Filmfestspielen eine wunderbare Begegnung gehabt. Da hatte der European Producers Club die Produzenten, also seine Mitglieder, eingeladen, die Entscheider von Netflix bei einem Stehempfang zu treffen. Und da Netflix ja schon meine Erfolgsserie Weissensee gezeigt hatte, habe ich mich erkundigt: Wer ist denn hier der Oberboss? Und da wurde mir gesagt: Brian Pearson. Jeder Produzent bekam so zwei, drei Minuten Gesprächszeit. Dann habe ich mich vorgestellt und gesagt: ‚Ich bin die Produzentin von Weissensee. Da ist er mir um den Hals gefallen und hat gesagt: ‚Das ist ja ganz toll, dass ich Sie kennenlerne!‘ Inzwischen arbeiten wir zusammen.“
Besonders stolz ist Regina Ziegler auf die Semifinal Judgings für den International Emmy Award: „Seit nunmehr fünf Jahren führen wir – gemeinsam mit Michael Smeaton – in Berlin die Jury-Halbfinalrunden durch. Unter der Schirmherrschaft des regierenden Bürgermeisters konnten wir in den vergangenen Jahren jeweils eine internationale Elitetruppe Filmschaffender als Jury nach Berlin einladen, die sich hier die für den EMMY Award eingereichten Beiträge angeschaut hat. So etwas fördert das kreative und produktive Miteinander und stärkt den Standort Berlin ungemein, auch international.“
Die Kraft und Vitalität von Regina Ziegler überdeckt jeden Gedanken an ein Vermächtnis. Die Ziegler-Damen verkörpern die Geschichte des Films in Berlin und dessen Zukunft in einzigartiger Symbiose. (dd)