Quo vadis Volksparteien? Berliner Entscheider diskutieren beim traditionellen Spargelessen der Berliner Pressekonferenz
Es ist wieder Spargelzeit: Die Größen der Berliner Politik, Wirtschaft und Medien gaben sich ein Stelldichein beim traditionellen Spargelessen der Berliner Pressekonferenz im Restaurant Hugo’s im Interconti. Der Termin gehört zu den Frühlings-Highlights im Veranstaltungskalender und so folgten zahlreiche Gäste dem exklusiven Ruf von Thomas Klein, Vorsitzender der Berliner Pressekonferenz, der ältesten Journalistenvereinigung Deutschlands, um sich über die große Politik, die Zukunft Berlins und weitere aktuelle Themen auszutauschen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer war in diesem Jahr als Ehrengast geladen, musste ihre Teilnahme an der Veranstaltung wegen einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung jedoch absagen. Kein Wunder angesichts der politischen Entwicklungen der letzten Tage.
Die politische Führungsriege der Hauptstadt gab sich die Ehre
Doch dafür war der halbe Senat zu Gast: Neben dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller gaben sich Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, Justizsenator Dirk Behrend, Finanzsenator Matthias Kollatz und Verkehrssenatorin Regine Günther die Ehre. Der neue CDU-Chef Kai Wegner, der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger, die Grünen-Fraktionschefinnen Antje Kapek und Silke Gebel sowie die Linken-Chefin Katina Schubert komplettierten die politische Führungsriege der Hauptstadt. „Und alle ehemaligen Regierenden Bürgermeister sind da“, freute sich Thomas Klein. Denn auch Klaus Wowereit, Walter Momper und Eberhard Diepgen ließen es sich nicht nehmen bei Spargel und Wein über die aktuellen Verschiebungen in der Parteienlandschaft und die politische Zukunft der beiden großen Volksparteien zu diskutieren.
„Rezo-Gate“ und Andrea Nahles: Falsche Kommunikationskultur?
Denn es rumpelt ganz gewaltig in der Groko, die Christdemokraten erleben gerade ihr „Rezo-Gate“. der zwar zu erwartende, aber dann doch sehr plötzliche Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles sorgte für zusätzlichen Gesprächsstoff. Insbesondere die Chefredakteure fast aller Berliner Medien stellten sich der Frage, ob die Medien wie auch die Politik, den Zugang zu jüngeren Menschen verloren haben. Zu konstatieren ist nichts weniger als ein Paradigmenwechsel in der Kommunikationskultur. Die Medien und vor allem die Nutzergewohnheiten haben sich in den letzten Jahren drastisch geändert. Klassische Medien und die Politik haben fast schon den Anschluss verloren. Dabei dürfe man nicht den Fehler begehen, sich der jungen Generation anzubiedern.
Eine zeitgemäße Kommunikation ist unumgänglich
Dennoch ist ein zeitgemäßes Kommunikationsverhalten der Meinungsführer aus Politik und Medien unumgänglich – so die einhellige Meinung. Doch ganz gleich, welcher Kommunikationskanäle man sich letzten Endes bedient, Qualitätsjournalismus hat bestimmten Regeln zu folgen. Auch in der Frage, wie mit Politikern umzugehen ist. Wurde Andrea Nahles nicht nur parteiintern, sondern auch von den Medien gemobbt und so der Rücktritt der SPD-Chefin herbeigeführt? Oder hat sie, durchaus auch eine Freundin deutlicher Worte, den Niedergang und ihren Rücktritt selbst zu verantworten? Ein Stück weit ist dies die Frage nach der sprichwörtlichen Henne und dem Ei. Einen diesbezüglichen Konsens konnten die Diskutanten jedenfalls nicht erreichen. Spekulationen gab es auch, wer nun neuer Parteichef der Sozialdemokraten werden soll. Und wer wird Spitzenkandidat in Berlin – bei SPD, CDU und Grünen?
Wirtschaftsvertreter beschwören Miteinander
Über allem schwebte also die große Politik. Doch auch über die Zukunft Berlins unterhielten sich Zoodirektor Andreas Knieriem, die BVG-Chefin Sigrid Nikutta, der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin, Christian Hoßbach und der neue Spielbank-Chef Gerhard Wilhelm. Dabei herrschte Einigkeit darüber, dass es nicht gehen wird, ohne die Wirtschaft mit ins Boot zu holen. Denn auch die Größen der hauptstädtischen Wirtschaft beteiligten sich an den lebhaften Diskussionen. Tenor: Nur gemeinsam ist es zu schaffen, Berlin weiter nach vorne zu bringen. Die Gesprächsbereitschaft aller Beteiligten ist grundsätzlich vorhanden, doch müsse man mehr tun, um wirklichen Konsens herbeizuführen. Michael Zahn, Chef der Deutsche Wohnen, SANUS-Vorstand Siegfried Nehls, Immobilienprofi Carsten Heinrich von Berkshire Hathaway HomeServices Rubina Real Estate, Andreas Schrobback, Chef der AS Unternehmensgruppe, Nadir Guediri, Managing Director der Copro Projektentwicklung und weitere Vertreter der Branche hielten fest, dass Berlin dringend Wohnungen braucht und man gemeinsam an einem Strang ziehen müsse, um diese Herkulesaufgabe zu bewältigen. Unterstützt wurde das Anliegen der großen Immobilienentscheider von Tobias Nöfer, Geschäftsführer von Berlin 2020, eine Initiative, die für eine zukunftsfähige Vision für die Stadt eintritt.
Wie geht es weiter mit Berlin? Diese Frage stellt sich nach wie vor, doch herrschte in allen Gesprächen Einigkeit darüber, dass es ohne eine belastbare Kommunikationskultur, die einlädt und nicht ausschließt, die auf Augenhöhe stattfindet und nicht herablassend ist, die veraltete Denkmuster in Frage stellt, nicht geht. (ak)