Potsdam-Kirchsteigfeld – Viel Druck auf dem Kessel
Potsdam kommt nicht zur Ruhe. Das Vertrauen zwischen den Bürgern und der Stadtpolitik ist zerstört. Der Oberbürgermeister konnte zwar aus formalen Gründen einem Abwahlbegehren entgehen, doch die Kritik an seiner mangelnden Führungsfähigkeit bleibt bestehen. Die Bürger beklagen schlechte Kommunikation, Missachtung ihrer Mitbestimmungsrechte und Mauschelei in der Verwaltung. Insbesondere im Kirchsteigfeld, ehemals ein Vorzeigeviertel im Südosten der Stadt, kocht der Unmut hoch.
Das Fass zum Überlaufen brachte die klammheimliche Planung einer Geflüchtetenunterkunft in der Eleonore-Prochaska-Straße 11. Die Anwohner ärgert, dass die Stadt sie erst mehr als ein Jahr nach Beginn der Planungen informiert hat - und das auch noch mit zum Teil widersprüchlichen Angaben.
Die Intransparenz und mangelnde Einbeziehung der Kirchsteigfelder führte seitens engagierter Bewohner zur Gründung der Anwohnerinitiative Kirchsteigfeld. Seitdem werden sie nicht müde, die generellen Missstände in der Potsdamer Stadtverwaltung anzuprangern.
BERLINboxx hat sich umgehört und mit den Menschen vor Ort gesprochen. Frust, Wut und Kampfgeist sind die Gefühlslagen der Menschen: „Die Politik sieht nicht mehr den Bürger, der Bürger ist denen egal.“ „Keiner versteht hier, warum in der direkten Nachbarschaft ein Geflüchtetenhaus entstehen soll, wo es absolut nicht hinpasst.“ „Es ist nicht das erste Mal, dass Hinterzimmerpolitik gemacht wird, und wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden.“ Das sind nur einige der Kommentare, die den Reportern bei ihrer Umfrage begegnet sind. Das steigert sich mitunter bis zu Wutkommentaren, die am Ende aber nur den generellen Frust der Bewohner widerspiegeln.
Ein unmittelbarer Nachbar in der Eleonora-Prochaska-Straße rechnet detailliert vor, dass das Aufnahmesoll längst erfüllt sei. Er verweist auf Angaben der regionalen Presse, wonach dieses Jahr allein 365 neue Plätze für Geflüchtete entstehen sollen. Zusammen mit den 500 Container-Wohnplätzen am Campus Jungfernsee, deren Realisierung nach der Ablehnung eines Eilantrages nun umgesetzt werden kann, hätte man also 865 Plätze. Das Aufnahmesoll für 2024 beträgt für Potsdam aber 762. „Warum dann hier noch eine Flüchtlingsunterkunft für 60 oder 100 Menschen einrichten, die dazu noch eine der teuersten in Deutschland wäre?“ Und eine Anwohnerin ergänzt: „Dreimal so teuer wie vergleichbare, weil hier nichts passt, die Flüchtlinge Tür an Tür mit den Einheimischen wohnen. Aber der Stadt ist das alles egal. Die beschwichtigen nur mit Blabla.“
Kein Wunder, dass der Ärger die Leute zur AfD treibt, so eine besorgte Potsdamerin, die sich als SPD-Wählerin outet. Bei Nachfragen der BERLINboxx bei der Anwohnerinitiative wird klar, warum so heftig reagiert wird. Man fühle sich von der Stadt ignoriert, ja regelrecht hintergangen. Seit Jahren hat die sogenannte Rathauskooperation von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke das Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung vernachlässigt. Selbst ein Antrag der CDU-Stadtfraktion im Herbst 2023, der eine zeitnahe und kontinuierliche Information und Beteiligung der Bürger im Kirchsteigfeld forderte, führte nach dem von der „Rathauskoalition“ getragenen Beschluss zu keiner zufriedenstellenden Veränderung für die Bürger.
Daher sorgen diese nun eigenständig für Gehör über ihr Viertel hinaus. „Uns geht es nicht um Krawall, sondern um Aufmerksamkeit. Unser Ziel ist es, die Anwohner über die Fehlplanung zu informieren und gemeinsam mit sachlichen Argumenten ein Stopp der Planungen zu erreichen. Das Gebäude in der Eleonore-Prochaska-Straße ist einfach nicht für eine Nutzung als Geflüchtetenunterkunft geeignet. Es ist unnötig, nicht sicher, zu klein, viel zu teuer, kurz gesagt: es ist einfach das falsche Gebäude am falschen Ort.“
Mit ihrem Ansinnen eint die Anwohnerinitiative Groß und Klein: „Wir sitzen auf einem Pulverfass“, so ein Jugendlicher. „Jung und Alt, alle sind stinksauer auf die Stadt. Unsere Geduld ist am Ende. Meine Eltern und alle Nachbarn sind außer sich und wollen sich die Willkür nicht länger bieten lassen.“ Eine brandgefährliche Situation für die Potsdamer Politik und den Frieden im Kirchsteigfeld. (red)