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Polen: Partnerschaft mit großem Potenzial
S.E. Dariusz Pawlos, Botschafter der Republik Polen in Deutschland | Polnische Botschaft

Polen: Partnerschaft mit großem Potenzial

27. Mai 2024

Polen erlebt derzeit einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Auch als Brücke zum Osten Europas gewinnt unser Nachbarland zunehmend an Bedeutung. Im Exklusivinterview mit der BERLINboxx weist S.E. Dariusz Pawlos, Botschafter der Republik Polen in Deutschland, auf die großen Potenziale in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit hin und wirbt für die Kultur seines Heimatlandes.

Polen ist Deutschlands fünftgrößter Handelspartner, noch weit vor Italien oder Großbritannien…

… und das Wichtigste ist, dass die bilateralen Handelsumsätze wachsen, obwohl wir es in der Bundesrepublik mit einer kleinen Rezession zu tun haben. Die polnischen Exporte nach Deutschland sind 2023 um vier Prozent gestiegen, das Handelsvolumen betrug mehr als 173,5 Milliarden. Euro. Wir hoffen, dass Polen bald zum viertgrößten Handelspartner Deutschlands aufsteigt. Diesen Erfolg haben sich polnische und deutsche Unternehmen hart erarbeitet.

Derzeit sind rund 5.500 deutsche Unternehmen in Polen aktiv. Was macht Ihr Land so attraktiv für deutsche Investoren?

Die Stärke der polnischen Wirtschaft besteht in qualifizierten und gut ausgebildeten Arbeitskräften, einer modernen Infrastruktur, der steigenden Leistungsfähigkeit, Innovativität und Flexibilität polnischer Unternehmen. Die räumliche Nähe spielt dabei natürlich auch eine Rolle, ähnlich wie die langjährige Zusammenarbeit und die Zugehörigkeit zu dem Europäischen Binnenmarkt.

Auf welchen Gebieten sehen Sie künftig eine (noch) engere Kooperation?

Das Potenzial der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland wird nach wie vor nicht wirklich ausgeschöpft. Große Möglichkeiten eröffnen sich u.a. auf dem Gebiet der weit gefassten strategischen Autonomie, insbesondere was Innovationen in der Industrie, Data Economy und KI betrifft.

Ein Feld für kooperative Handlungen hängt mit dem Wiederaufbau der Ukraine zusammen. Polen hat dort nicht nur die Chance, als einer der wichtigsten Akteure zu agieren, sondern kann darüber hinaus die Logistik sowie andere Dienstleistungen für an die Ukraine adressierte deutsche Projekte sicherstellen.

Wie könnten Polen und Deutschland eine Vorreiterrolle beim Wiederaufbau der Ukraine übernehmen?

Polen hat sehr viel Erfahrung mit der Umsetzung auf die Mitgliedschaft in der EU gerichteter Reformen – und ist gern bereit, diese mit der Ukraine zu teilen. Als die stärkste Volkswirtschaft der EU kann wiederum die Bundesrepublik ihr Potenzial dank den in Polen tätigen zahlreichen deutschen Unternehmen für jene Projekte einsetzen, die in der Ukraine zu realisieren sind, z.B. im Bereich der Infrastruktur oder der Energiewirtschaft.

Die Stadtbrücke über die Oder verbindet Frankfurt und Stubice I Foto:Ralf Roletschek

Zu den bilateralen „Baustellen“ gehört vor allem die Migration…

Zu den Prioritäten Polens wie auch der meisten EU-Mitgliedstaaten gehört es, die illegale Migration einzudämmen und die Außengrenzen der EU effektiv zu schützen. Die Instrumentalisierung der Migrationsströme durch das belarussische Regime sowie der in den letzten Jahren steigende Migrationsdruck an der östlichen Grenze Polens, die ja eine der Außengrenzen der EU bildet, wirken sich auf alle Länder der Europäischen Union aus. Wir beobachten das deutlich etwa am Beispiel der vorübergehend wiedereingeführten Grenzkontrollen zwischen Polen und Deutschland, wodurch die Zahl illegaler Migrantinnen und Migranten – auf in unseren Augen wenig effektive Art und Weise – begrenzt werden soll.

In Bezug auf die Migration bleiben wir konsequent. Einen „Kurswechsel“ und ein größeres Verständnis für polnische Postulate beobachten wir dafür inzwischen bei einigen anderen EU-Mitgliedstaaten, nicht zuletzt bei Deutschland.

Nun zum Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg. Stichworte sind der Ausbau der Bahnverbindungen und der Oder…

Brandenburg und Berlin sind als Bundesländer wichtige Partner Polens. Was die Oder betrifft, müssen wir uns stets gut absprechen und Informationen austauschen, um eine Wiederholung der Katastrophe von 2022 zu verhindern. Für beide Seiten spielt es eine sehr große Rolle, dass der bilaterale Vertrag zwischen Polen und Deutschland über den Ausbau der Infrastruktur zu Hochwasserschutz und -vorsorge an der Oder realisiert wird.

Für die wirtschaftliche Entwicklung der Grenzregion haben der Ausbau des Schienennetzes und seine Modernisierung eine Schlüsselbedeutung, deshalb warten wir mit Freude auf die Fertigstellung der Eisenbahnbrücke in Küstrin. Außerdem hoffen wir, dass die Bundesregierung die Bahnverbindungen nach Polen zu einer ihrer Prioritäten erklären wird, weil sie auch vor dem Hintergrund der Lage Polens an der östlichen Grenze der EU strategisch wichtig sind.

Traditionell besonders eng sind die kulturellen Beziehungen…

Es bleibt unverändert unsere Mission, in Deutschland ein positives Bild Polens zu stärken sowie durch kulturelle Highlights dem deutschen Publikum das künstlerische und intellektuelle Schaffen von Polinnen und Polen nahezubringen. So laden wir am 5. Mai zu der deutschen Uraufführung des Musicals „Irena“ in den Berliner Admiralspalast – das Stück ist einer der heldenhaften Polinnen gewidmet: Irena Sendlerowa, die während des Zweiten Weltkrieges tausenden jüdischen Kindern das Leben rettete. Zusammen mit dem Berliner Abgeordnetenhaus und mit diplomatischen Vertretungen der anderen EU-Länder feiern wir im Mai die 20-jährige Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union. Schauen Sie gern bei einem der Polnischen Institute in Deutschland vorbei! (evo)