Mietendeckel erweckt ungewollte Reaktionen
Mit der Einführung des Mietendeckels wollte der rot-rot-grüne Senat in Berlin den Mietenwahnsinn stoppen – und stieß damit auf zahlreiche Kritik. Eine Maßnahme, die Mieter künftig entlasten soll, könnte das Gegenteil bewirken. Die „jungen Genossenschaften“ und der Verein der „Wohnungsbaugenossenschaften Berlin“ warnen vor der Einführung des Mietendeckels und einer „Zerstörung des sozialen Mietengefüges“. Und der Eigentümerverband Haus & Grund in Berlin rät seinen Mitgliedern, jetzt noch schnell die Miete zu erhöhen und dabei den gesetzlichen Spielraum voll auszuschöpfen.
Countdown zum Mietendeckel
„Erhöhen Sie unbedingt bis zum 17. Juni“, heißt es auf der Internetseite des Haus & Grund Verbands. Dort wurde ein Countdown eingerichtet der die Tagen und Stunden runterzählt, bis der Mietendeckel gilt und damit die letzte Chance bietet die Miete noch einmal zu erhöhen. Der Mietendeckel der Bausenatorin Katrin Lompscher (die Linke), der die Mieten in Berlin für fünf Jahre einfriert, soll ab 2020 gelten. Allerdings soll die Regel rückwirkend von dem Tag an gelten, an dem der Senat die Eckpunkte beschließt. Dies ist für den 18. Juni geplant.
Mieterhöhung als Notwehr
Der Eigentümerverband begründet seinen Aufruf, die Mieten bis zum 17. Juni zu erhöhen, als eine Art Notwehr gegen die Wohnungspolitik von SPD und Linken. Carsten Brückner, Chef des Landesverbands sagt: „Wir erinnern Eigentümer nur daran, was ihnen gesetzlich zusteht“.
Die Reaktion des Geschäftsführers des Deutschen Mieterbundes, Ulrich Ropertz, fällt deutlich anders aus. Er meint: „Dieser Verbandsaufruf zeigt, wie dringend notwendig ein Mietendeckel ist“. Stattdessen schlägt er vor, dass der Senat den Stichtag vorverlegen sollte, damit jetzt ausgesprochene Mieterhöhungen schon nicht mehr gültig sind. Und auch Bausenatorin Katrin Lompscher zeigt sich empört: „Mieterinnen und Mieter werden so zum Faustpfand der Immobilienlobby degradiert“.
„Keine Unterscheidung zwischen großen Vermietern und privaten Einzelvermietern“
Im Inforadio des rbb verteidigte Brückner den Vorstoß, indem er den geplanten Mietendeckel kritisierte. „Es findet keine Unterscheidung statt zwischen sehr großen Vermietern und den privaten Einzelvermietern, die mit den Mieten und Modernisierung gerade keinen Schindluder treiben“, sagt Brückner.
Laut der Internetseite hält Haus & Grund die Mieterhöhung lediglich für Wohnungen erforderlich, in denen Vermieter nicht die maximale Miete ausschöpfen, die laut Mietpreisbremse erlaubt ist. Im Bundesgesetz steht, dass die Miete maximal zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.
Genossenschaften warnen vor Einfrierung der Mieten
Auch die „jungen Genossenschaften“ und der Verein der „Wohnungsbaugenossenschaften Berlin“ warnen vor der Einführung des Mietendeckels. Die Unternehmen besitzen etwa 90.000 Wohnungen in Berlin und investierten jährlich rund 320 Millionen Euro in Bestand und Neubau. Dennoch liegen ihre Mieten deutlich unter dem Durchschnitt, da sie nicht gewinnorientiert arbeiten. Zudem sieht ihr ihr Geschäftsmodell keine Modernisierungen mit der Möglichkeit von Umlagen der Kosten auf die Mieter vor. Verfügbare Mittel fließen stattdessen verstärkt in Instandhaltungen.
Moderate Mieterhöhungen statt Mietendeckel
In einer Erklärung der Genossenschaften heißt es: „Die steigenden Baukosten machen auch uns zu schaffen“. Die Instandhaltung sei teuer und hinzu kämen gesetzliche Vorschriften, wie die energetischen Sanierungen für den Klimaschutz und gerade aktuell die Installation der Rauchwarnmelder. Sie schlagen regelmäßige moderate Mieterhöhungen als Ausgleich vor. „Die Besonderheit der genossenschaftlichen Unternehmensform, die eine Reinvestition aller erwirtschafteten Überschüsse vorsieht, muss Berücksichtigung finden“. Sonst seien die sozialen Mietenstrukturen, unser gesamtes Wirtschaften inklusive der Planungen für die kommenden Jahre gefährdet, so die Unternehmen.
Mietenwahnsinn in Berlin
In Berlin sind die Mieten zuletzt so stark gestiegen wie in keiner anderen Großstadt. Mieter müssen in neuen Verträgen mittlerweile mehr als 10 Euro je Quadratmeter zahlen. Als mittlere ortsübliche Vergleichsmiete nennt der Mietspiegel 6,72 Euro, in guten Lagen 7,60 Euro. Diese ist wichtig, da sie die Obergrenze für Mieterhöhungen ist. Mieterbund-Chef Ropertz geht davon aus, dass in Berlin ohnehin schon die Mehrheit der Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt. Die Aufforderung von Haus & Grund könnte deshalb vor allem jene Mieter treffen, deren Miete in den vergangenen Jahren nicht gestiegen ist. (lb)