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Medienschaffende in Berlin-Brandenburg: Krisen als Chance für Wandel und Innovation
Jeannine Koch, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende des medianet berlinbrandenburg e.V. | Christian Weber

Medienschaffende in Berlin-Brandenburg: Krisen als Chance für Wandel und Innovation

31. Januar 2024

Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, Lieferprobleme und wirtschaftliche Unsicherheiten: UnternehmerInnen in Deutschland müssen sich seit Jahren mit einer Vielzahl von Herausforderungen auseinandersetzen. Doch die Medienwirtschaft in Berlin und Brandenburg zeigt sich gelassen. Im Gegenteil: Es wird sogar über einen Ausbau, Nachhaltigkeitsmaßnahmen und Weiterentwicklung gesprochen. Jeannine Koch, Geschäftsführerin von medianet, Medienpartner der BERLINboxx, erklärt im Interview, warum das so ist.

Trotz Kriegen und Krisen erwartet die Mehrzahl der Unternehmen der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft in Berlin und Brandenburg für 2024 ein zumindest gleichbleibendes oder sogar besseres Geschäft als im Vorjahr. Wie erklärt sich dieser Optimismus?

Grundsätzlich kann man sagen, dass es einigen Unternehmen erfolgreich gelingt, sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen. Aufgrund der Vielzahl der Krisen in den letzten vier Jahren waren und sind die Unternehmen in einem permanenten Lernmodus. Bereits unser medien.barometer 2021/22, als es um die Innovationspotenziale neuer Geschäftsfelder durch die Corona-Pandemie ging, hat gezeigt, dass die Unternehmen der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft in der Lage sind, innovativ zu denken und zu handeln. 52 Prozent hatten neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, 27 Prozent sind Kooperationen mit anderen Branchen eingegangen. Dies hat sich seitdem fortgesetzt. Der Anstieg in der Geschäftserwartung für die kommenden 12 Monate liegt mit 24,1 Punkten ganz nah am Vorpandemiewert, der bei 25,0 Punkten lag. Dies kann als Zeichen einer gestiegenen Resilienz, Krisen- und Transformationskompetenz der Unternehmen interpretiert werden.

Besonders positiv blicken bei der Entwicklung des Geschäftsfeldes die Bereiche Musik mit 67 Prozent und Journalismus mit 64 Prozent in die Zukunft. Das ist ein deutliches Plus im Vergleich zum Vorjahr, wo diese Werte nur bei 18 Prozent bzw. 25 Prozent lagen. Mit immerhin 32 Prozent ist auch die Filmbranche wieder positiver gestimmt, letztes Jahr waren es hier nur 21 Prozent. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass kurz vor Umfragebeginn der monatelange Streik der Drehbuchautor*innen in den USA beendet wurde.

Vier von zehn Medienmittelständlern wollen zusätzliche MitarbeiterInnen einstellen, auch weil sie unter dem akuten Fachkräftemangel leiden. Hier ist in erster Linie die Politik gefordert…

Die Politik kann auf verschiedene Weisen dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu mildern. Vor allem benötigen wir eine flexiblere Zuwanderungspolitik, um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen und damit den Bedarf in bestimmten Branchenzweigen zu decken. Darüber hinaus sollten im Ausland erworbenen Qualifikationen effektiver anerkannt werden, um die Integration zu erleichtern. Apropos Ausbildung: Es braucht vor allem neue Ausbildungs- und Studiengänge, die sich an den rasanten technologischen Entwicklungen am Markt orientieren. Im August 2023 startete der IHK-Ausbildungsgang "Mediengestalter für immersive Medien" – ein erster wichtiger Schritt, um hier auch selbst qualifizierte Fachkräfte für die Jobs von morgen auszubilden.

Was auch wichtig ist: Eine Förderung von Maßnahmen, die es Eltern erleichtert, Familie und Beruf zu vereinbaren. Vor allem bei der Erwerbstätigkeit von Frauen sind noch viele Verbesserungen möglich, z.B. bei der Gleichstellung in Bezug auf Chancen und Bezahlung sowie der Quote in Führungspositionen. Zudem sind über 1 Mio. Beschäftigte in Deutschland 67 Jahre oder älter. Hier bedarf es Optionen für eine längere Teilnahme am Arbeitsmarkt, wenn sie das wollen. Und ganz grundsätzlich muss die Politik natürlich den fortschreitenden demografischen Wandel im Blick haben, aber das ist nochmal ein anderes und sehr großes Thema.

Ein Punkt noch zu den Stichworten Förderung und Fachkräftebedarf: Die Senatswirtschaftsverwaltung unterstützt seit 2022 maßgeblich das People & Culture Festival, welches ich angesichts der anhaltenden Herausforderungen am Arbeitsmarkt 2022 gegründet habe. Im Spätherbst 2024 werden wir das People & Culture Festival mit dem medianet zum dritten Mal durchführen und so dabei unterstützen, dass Studierende, AbsolventInnen, Quer- und UmsteigerInnen auf spannende Unternehmen aus der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft treffen, die sich und ihre neuen Jobprofile präsentieren. Gleichzeitig gibt es auf mehreren Bühnen Programm, bei dem man sich rund um die aktuellen Themen der Arbeits-, Aus- und Weiterbildungswelt informieren kann. Wer Interesse hat, sich beim Festival als Austeller, Speaker oder Partner zu beteiligen, kann sich gern bei uns melden.

Die Mehrheit der UnternehmerInnen nähme Mehrkosten für Nachhaltigkeitsmaßnahmen in Kauf, doch nur knapp ein Drittel sieht darin neue Marktchancen. Nur ein Kommunikationsproblem?

Es haben zwar 55 Prozent der Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmensphilosophie verankert haben, geäußert, dass sie Mehrkosten in Kauf nehmen, jedoch haben 49 Prozent von denjenigen, die nicht nachhaltig agieren, angegeben, dass hohe Kosten die größte Hürde darstellen.

Ich glaube, dass tatsächlich verstärkt kommuniziert werden sollte, welche positiven Effekte es hat, wenn ich als UnternehmerIn nachhaltige Aspekte und Maßnahmen verfolge. Für 46 Prozent der befragten Unternehmen hat Nachhaltigkeit keinen hohen Stellenwert. Es braucht einen verschärften Blick darauf, dass ich mit einem Nachhaltigkeitskonzept nicht nur eine positive Außenwirkung erzielen kann – sowohl bei Kund*innen, als auch wenn es darum geht, potenzielle MitarbeiterInnen für mich zu gewinnen – , sondern vor allem etwas dazu beitrage, die Klimaziele zu erreichen. Beides kann dafür sorgen, dass ich am Markt erfolgreicher bin und sich daraus neue Chancen ergeben. Ratsam ist es auch, für Nachhaltigkeitsthemen eigens eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zu beauftragen und dies in der Unternehmenskommunikation zu berücksichtigen. Nur 25 Prozent der Unternehmen haben dies bei sich bisher eingerichtet.

Grundsätzlich bedarf es einer größeren öffentlichen Informationskampagne für UnternehmerInnen zu der erforderlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung und den möglichen Förderungen für Unternehmen, die sie beantragen können, um Nachhaltigkeitsmaßnahmen erfolgreich in die Unternehmensstrategie zu integrieren. (evo)

Über Jeannine Koch:

Die gebürtige Berlinerin ist seit Januar 2021 geschäftsführende Vorstandsvorsitzende des medianet berlinbrandenburg e.V. In den drei Jahren zuvor zeichnete Koch als Direktorin der republica GmbH für zahlreiche nationale wie internationale Konferenzen zur gesellschaftlichen Transformation und Digitalisierung verantwortlich. Davor war sie sechs Jahre lang Marketing- und Kommunikationsleiterin der IGA Berlin 2017. Sie ist diplomierte Medienberaterin und ausgebildeter systemischer Business Coach, studierte u.a. International Communications in Sydney/Australien und Anglistik/Amerikanistik, Neuere Deutsche Philologie & Medienberatung in Berlin. Die Entwicklungen der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft der Hauptstadtregion gestaltet Koch seit vielen Jahren mit und ist als Ideen- und Impulsgeberin stets daran interessiert, innovative Konzepte für nachhaltige Wachstumsprozesse zu entwickeln und voranzutreiben.