
Leerstand ist das neue Risiko – wird Marketing zur harten Währung?
Gastbeitrag zur EXPO REAL 2025, von Sebastian Peichl
Im Vorfeld der Expo Real 2025 ist in der Branche leiser Optimismus zu hören. Manche sehen die Talsohle erreicht, andere sprechen von ersten Erholungstendenzen. Doch hinter der Messekulisse bleibt für mich die Schlüsselfrage dieselbe: Wie überwinden wir Leerstände – und welche Rolle spielt Marketing dabei? Denn wer jetzt kommuniziert wie gestern, verliert morgen Fläche.
Die stille Bilanz des Leerstands
Leerstand ist kein atmosphärisches Stimmungsbild, sondern eine harte Bilanzposition. In den Big-5 summieren sich die reinen Opportunitätskosten leerstehender Büros auf rund 165 Millionen Euro pro Monat – fast zwei Miliarden Euro pro Jahr. Parallel meldet JLL für die Big-7 7,6 Millionen m² kurzfristig verfügbare Fläche und eine Leerstandsquote von 7,7 Prozent. Das ist der Rahmen, in dem Vermietung heute stattfindet.
Von der Adresse zur Erzählung
„Lage, Lage, Lage“ erklärt kaum noch Vermietungserfolg. Flexibilität, Ausstattung, ESG-Qualität und digitale Anschlussfähigkeit zählen – und sie müssen erzählt werden: klar, belegbar, visuell. Marketing ist hier nicht Lautsprecher, sondern Übersetzer zwischen Flächenqualität und Nutzererwartung. Wer diesen Übersetzungsdienst leistet, verhandelt seltener über Incentives und öfter über Nutzen.
Die Vorentscheidung fällt im Netz
Der erste Wettkampf entscheidet sich vor dem ersten Anruf. Entscheider informieren sich heute weitgehend selbstständig und recherchieren digital. Wer in dieser Phase nicht mit belastbarem Branding, Daten, virtuellen Rundgängen und klarem Nutzenprofil präsent ist, taucht nicht auf Shortlists auf – unabhängig von der Qualität des Produkts.
Time-to-Lease: Wenn Geschwindigkeit zur härtesten Kennzahl wird
Marketing galt in der Branche lange als weicher Faktor. Doch in der Praxis lassen sich Wirkung und Effizienz längst messen. Entscheidend ist, wie viel eine qualifizierte Anfrage kostet, wie viele dieser Kontakte in eine Besichtigung münden – und wie viel Zeit vergeht, bis ein Mietvertrag unterschrieben ist. Wer diese Kette konsequent steuert, verkürzt Zyklen, beschleunigt Abschlüsse und nimmt Preisgesprächen die Schärfe.
Full-Funnel statt Feigenblatt
„Full-Funnel“ ist kein Modewort, sondern ein Arbeitsprinzip. Oben geht es um Reichweite und Sichtbarkeit, damit eine Fläche überhaupt ins Relevant Set kommt. In der Mitte zählt Vertrauen – mit ESG-Nachweisen, Grundrisslogiken, Benchmarks und virtuellen Rundgängen. Unten entscheidet die Aktivierung: qualifizierte Leads, Besichtigungen, Verhandlungen. Genau hier entfaltet Performance Marketing seine Stärke – mit präzisem Targeting und messbaren Ergebnissen. Aus unserer Erfahrung zeigt sich: Erst wenn alle Ebenen zusammenspielen, entsteht der Fluss, der über Erfolg oder Stillstand entscheidet.
Budget folgt Strategie – nicht umgekehrt
Die Entwickler, die derzeit Tempo aufnehmen, planen Marketing von Beginn an – als strategischen Hebel, gleichwertig zu Bau, Ausstattung und Vertrieb. Das ist keine Zutat am Ende, sondern Teil der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Zumal die Opportunitätskosten des Leerstands jedes zögerliche Budget in Wochen überholen.
Mein Ausblick
Die
Signale auf Erholung sind da – punktuell, selektiv, noch fragil.
Aber genau deshalb rückt Differenzierung nach vorn: Prime
stabilisiert, B-/C-Lagen und Bestandsobjekte mit veraltetem Standard
brauchen Marke, Nutzungsintelligenz und kommunikative Präzision.
Marketing entscheidet dann nicht nur über den Vermietungserfolg,
sondern zunehmend über die Werthaltigkeit eines Assets.
Sebastian
Peichl berät seit vielen Jahren Unternehmen und Entwickler in Fragen
von Marke und Kommunikation. Bei Smith Berlin liegt seine
Spezialisierung im Bereich Immobilienmarketing.