Landeseigene Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ im Visier des Landesrechnungshofs
Vorwurf: Vergabeverstoß und arglistige Täuschung
Bereits im März 2021 stand die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land in Verdacht eines Vergabeverstoßes im Kontext des Erwerbs des Neubauprojekts Fürstenwalder Allee in Köpenick. Der Vorwurf des privaten Verkäufers des Grundstücks: Vergabeverstoß und arglistige Täuschung. Trotz eines unabhängigen Rechtsgutachtens des renommierten Juristen Prof. Dr. Frank-Rüdiger Jach sowie der dezidierten Beweisführung der Anwälte des Verkäufers wies Stadt und Land die Vorwürfe lapidar mit dem Kommentar, dass „auf das zugrunde liegende Vertragsverhältnis das Vergaberecht nicht anzuwenden ist“ zurück.
Über Monate verweigerte die Stadt und Land die Schlussabnahme des Bauwerkes und verzögerte somit auch die Rückgabe persönlicher Bürgschaften des Vertragspartners, obwohl das Bauwerk mit 216 Wohneinheiten längst von Mietern bezogen war. Erst durch massiven anwaltlichen Druck gab die Wohnungsbaugesellschaft die Bürgschaft im Juli diesen Jahres zurück.
Die Branchenfremdheit des Grundstücksverkäufers, der im Kerngeschäft Fotograf und Werbeagenturbetreiber ist, hat die Stadt und Land offensichtlich – so der Vorwurf – ausgenutzt. Da der Generalunternehmer im Laufe des Bauprozesses Insolvenz anmelden musste, entstanden Mehrkosten in Höhe von neun Millionen Euro. Stadt und Land bestand offenbar nachdrücklich darauf, dass lediglich eine Deckungslücke von rund drei Millionen Euro vorläge. Die Differenz von sechs Millionen Euro wurden auf den Verkäufer abgewälzt, der dadurch in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geriet. Dadurch begründet sich der Vorwurf der arglistigen Täuschung, den der unabhängige Rechtsprofessor erhebt.
Drohen Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe?
Im Rahmen der Befassung des Rechnungshofes des Landes Berlin mit dem Vorwurf der Umgehung des Vergaberechts rücken auch die Fördermittel, die durch die IBB für 69 Wohnungen gewährt wurden in den Mittelpunkt.
In dem Prüfungsantrag des Verkäufers – liegt der BERLINboxx vor – wird der Landesrechnungshof aufgefordert zu prüfen ob die Stadt und Land “…für die Umgehung vergaberechtlicher Vorgaben und Vorschriften haftet“. Ferner erstreckt sich der Prüfauftrag auf die „Belastungen des Steuerzahlers durch Schadensersatzansprüche gegenüber dem Land Berlin“ (Staatshaftungsanspruch). Und letztlich richten sich die Vorwürfe auch gegen das Land Berlin, das versäumt habe „geeignete Maßnahmen und Sicherungsinstrumente zu implementieren, damit die von ihr getragenes Gesellschaft SuL GmbH nicht gegen Unionsrecht verstößt“. Das wiegt doppelt schwer, weil das Land Berlin im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten ist. Dieser Fall desavouiert jedenfalls die postulierten ethischen Standards der Unternehmensführung von Stadt und Land sowie deren Compliance- und Wertemanagement, dem sie sich selbst verpflichtet haben. (red)