Kritik am Mobilitätsgesetz: Wirtschaftsverkehr kommt zu kurz
Anfang Juli veröffentlichte die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz weitere Eckpunkte zum Mobilitätsgesetz von 2018. Nun kommt zahlreiche Kritik seitens der Wirtschaft – sie bemängeln die Pläne für den Wirtschaftsverkehr.
Vertiefung des Mobilitätsgesetzes: Warum dauerte es so lange?
Mehr Fahrradfahrer, mehr ÖPNV-Nutzer, weniger Autofahrer, weniger CO2-Ausstoß – die grundsätzlichen Ziele des Mobilitätsgesetzes von 2018 sind klar. Die Stadt muss klimafreundlicher werden – CO2-neutral bis 2050. Wie genau die Umsetzung erfolgen würde, war 2018 nicht klar und auch heute gibt es offene Fragen. Daher ergänzte der Senat Anfang des Monats das Mobilitätsgesetz, um jene Lücken zu füllen. Unter anderem befasste sich der Senat mit dem Wirtschaftsverkehr – und wird für diese Ausführung stark kritisiert.
„Es spricht Bände, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis zumindest Eckpunkte für den Wirtschaftsverkehr im Mobilitätsgesetz vorliegen. Leider muss man sagen: Ein großer Wurf sieht anders aus. Wenn der Politik wirklich daran gelegen ist, die Mobilitätswende in der Stadt voran zu treiben, muss sie dem Wirtschaftsverkehr den seiner Bedeutung für die Versorgung der Stadt entsprechenden Raum im Gesetz einräumen.“, monierte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin.
Vorschläge zu unkonkret
Zwar fassen es die Vertreter aus der Wirtschaft positiv auf, dass auf einige Vorschläge zur Unterstützung des Wirtschaftsverkehrs eingegangen wurde, etwa das Erschaffen eines Umschlagnetzes, welches die Warenübergabe zwischen den unterschiedliche Transportmitteln fördert oder die Einrichtung von Liefer- und Ladezonen, welche Vorrang vor Parkplätzen privater PKW haben sollen.
Jedoch vermissen Kritiker konkrete Pläne, um die Effizienz des Wirtschaftsverkehrs zu steigern. So müssten Gewerbestandort besser erreichbar sein und an den Knotenpunkten könnte eine bessere Ampelsteuerung hilfreich sein.
Alles in allem sind die Vertreter der Wirtschaft der Auffassung, dass der Senat dem Wirtschaftsverkehr nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt und seine Bedeutung unterschätzt – der Verkehrssenat sehe den Wirtschaftsverkehr offenbar in erster Linie als Störfaktor, meint Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. „Das ist der falsche Ansatz für eine Stadt, in der Handwerker, Pflegedienste oder Paketboten ihre Kunden erreichen und Industrie, Supermärkte, Baustellen, Hotels und Händler beliefert werden müssen. Wir teilen das Ziel, den Verkehr so stadt- und umweltverträglich wie möglich zu organisieren. Dirigismus und Eingriffe in Geschäftsprozesse führen aber nicht weiter.“ Für ein Mobilitätskonzept brauche es zudem aktuelle und verlässliche Verkehrsdaten. Von Entscheidungen ohne eine solche Grundlage rät Amsinck dringend ab.
Nicht zu vergessen: LKW-Fahrer und Handwerker
Die Kritik kommt aus vielen Ecken – viele Berufsgruppen des Wirtschaftsverkehrs seien in den neuen Eckpunkten nicht bedacht So kritisiert Gerd Bretschneider, Geschäftsführer Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg e.V., als Vertreter der Lastwagenfahrer, dass Transportunternehmen in dem neuen Mobilitätsgesetz zu wenig Raum bekommt: „Für die Transportunternehmen sind LKW und Straße faktisch der Arbeitsplatz. Insofern muss die
Infrastruktur qualitativ und quantitativ dem Wirtschaftsverkehr den nötigen Raum für alle Prozesse gewähren. Dazu benötigen wir im Mobilitätsgesetz klar definierte Bedingungen, die genauso klar vollziehbar sind. Ladezonen sind hierfür ein anschauliches Beispiel.“
Und Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, betont die Bedeutsamkeit von Handwerker für die Stadt: „Handwerksbetriebe müssen ihre Kunden erreichen können, schließlich hält das Handwerk unsere Stadt am Laufen. Wir brauchen daher dringend ein eigenes Kapitel Wirtschaftsverkehr im Berliner Mobilitätsgesetz, um die Versorgung der Berlinerinnen und Berliner mit handwerklichen Produkten und Dienstleistungen auch weiterhin sicherzustellen.“
Es wird sich zeigen, ob und inwiefern der Senat die Kritik aufnehmen wird. (aak)