
Julian Opie in der König Galerie - Urbane Ikonen in Bewegung
Mit der gestrigen Eröffnung der Ausstellung von Julian Opie setzt die König Galerie einmal mehr ein kraftvolles Zeichen: Berlin bleibt ein Zentrum internationaler Gegenwartskunst - und das brutalistische Kirchenschiff von St. Agnes, in dem die Galerie residiert, ist ihr bedeutender Resonanzraum. Opie, einer der renommiertesten Künstler Großbritanniens, bespielt das gesamte Areal: vom Hauptschiff über die Kapelle bis hinaus in den Skulpturengarten. Die König Galerie beweist damit aufs Neue ihre kuratorische Vision, Künstlern einen spektakulären Raum für monumentale Setzungen und feinsinnige Details zu eröffnen.
Julian Opie, 1958 in London geboren und längst weltbekannt für seine stilisierten Figuren und animierten Stadtansichten, verwandelt den Raum in eine pulsierende urbane Landschaft. Der Besucher tritt ein und steht unmittelbar vor fünf über acht Meter hohen Stahltürmen, die wie abstrahierte Architekturen aus der Skyline Londons wirken. Diese monumentalen Skulpturen sind jedoch keine toten Blöcke aus Stahl, sondern tragen auf LED-Flächen rhythmisch marschierende Figuren, deren endlose Bewegung eine suggestive Ruhe erzeugt. Es ist, als würde der Besucher selbst Teil eines stillgestellten urbanen Flusses.

Opies bekannteste Formensprache - stilisierte Menschen mit schwarzen Konturen und flächiger Farbgebung - durchzieht die gesamte Ausstellung. Doch er zeigt sich auch von seiner taktileren, fast archaisch wirkenden Seite: In der kleineren Seitenkapelle begegnet man Porträts aus Marmor und Holz, deren Reduktion an antike Grabreliefs erinnert, gleichzeitig aber auch an digitale Avatare oder Emojis. Eine Frau mit Kopfhörern, ein Mann mit Basecap - reduziert auf wenige Linien, doch voller Persönlichkeit. Opie gelingt hier das Kunststück, Menschen gleichzeitig anonym und individuell erscheinen zu lassen.

Besonders eindrucksvoll ist eine Gruppe farbiger Aluminiumfiguren, die auf dem Vorplatz der Galerie aufgestellt sind: stilisierte Fußgänger - Laufbewegungen in Dauerschleife - wirken wie überlebensgroße Icons aus einer digitalen Großstadt. Opie erzählt mit diesen Figuren nicht von Identität im klassischen Sinne, sondern von Bewegung, Routine, Fluss. Er porträtiert nicht das Individuum, sondern die urbane Masse - und er tut das mit Sympathie, Witz und einem tiefen Gespür für visuelle Ökonomie.

Dass Julian Opie zu den bedeutendsten Künstlern seiner Generation zählt, belegen zahlreiche Museumsausstellungen weltweit. Werke von ihm befinden sich in der Tate Gallery in London, im Museum of Modern Art in New York und in der National Portrait Gallery. Ausstellungen führten ihn unter anderem in die Fundação Calouste Gulbenkian in Lissabon, zur Expo Osaka, in den Palazzo Pisani in Venedig oder in die Mead Gallery im Vereinigten Königreich. Seine Arbeiten im öffentlichen Raum - wie die LED-Figur „Ann Dancing“ in Indianapolis - sind längst Teil des internationalen Stadtbildes geworden.
Die aktuelle Ausstellung in Berlin reiht sich nahtlos ein in diese imposante Laufbahn - und unterstreicht gleichzeitig die Bedeutung der König Galerie als Ort künstlerischer Relevanz. Zwischen Industriecharme und sakralem Lichtraum schafft Opie ein Szenario, das Berliner Großstadtgefühl mit globaler Kunstsprache verknüpft. Es ist ein Spiel mit Kontrasten: monumental und reduziert, bewegt und still, analog und digital.
So wird diese Ausstellung nicht nur zu einem eindrucksvollen Porträt Julian Opies, sondern auch zu einem Statement für die König Galerie selbst - als ein Ort, der zeigt, dass Berlin nicht nur Hauptstadt, sondern auch Herzstück zeitgenössischer Kunst ist. (ls)
Ausstellung: bis 24. August 2025; König Galerie, St. Agnes, Berlin-Kreuzberg, Alexandrinenstraße 118-121