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Interview Oliver Koch, Vorstand FORTIS AG
v.l.: Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel und Oliver Koch, Vorstand FORTIS AG | BERLINboxx

Interview Oliver Koch, Vorstand FORTIS AG

08. September 2022

Die aktuellen Themen des Berliner Wohnungsmarkts können nur in einem Miteinander von Wirtschaft und Politik gelöst werden

BERLINboxx: Sie diskutierten jüngst mit Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel zu den Wachstumschancen von Berlin. Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Hauptstadt?

Oliver Koch: Ich kann dem Senator in seiner Prognose, dass Berlin weiterwachsen wird, nur zustimmen. Berlin hat weiterhin eine unglaubliche Sogkraft, auf junge Menschen, auf Menschen, die Kultur und Vielfalt schätzen, auf Entrepreneure und natürlich auf die Wachstumsbranche der Digitalwirtschaft. Allein die aktuelle Statistik der neu geschaffenen, sozialversicherungspflichtigen Stellen mit rund 70.000 neuen Stellen unterstreicht diese Einschätzung. Und all diese Menschen wollen und müssen wohnen. Um die ehrgeizigen Ziele des Senats von 20.000 Wohnungen pro Jahr zu realisieren bedarf es einer gewaltigen Anstrengung aller Akteure. Der Wohnungsbedarf in Berlin kann nur in einem Miteinander von Wirtschaft und Politik gelöst werden.

BERLInboxx: Was muss getan werden, um diese Ziele zu erreichen. Zur Zeit sieht es so aus, als ob der Senat diese Ziele nicht erreichen wird.

Oliver Koch: Zunächst einmal müssen Genehmigungsprozesse beschleunigt werden. Leider ist es in Berlin Realität, dass Baugenehmigungen für Neubaumaßnahmen ebenso wie für Verdichtung zum Teil gar nicht mehr bearbeitet werden können, weil in den Behörden Personal fehlt oder Krankenstände exorbitant hoch sind. Es muss also eingestellt werden, um eine normale Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Ferner drängt sich der Eindruck auf, dass der politische Wille das eine ist, die Umsetzung in der Verwaltung aber nur teilweise erfolgt. Jeder kennt in Berlin die Mentalität, erst einmal gegen Neubau- oder Modernisierungspläne zu entscheiden. Das von Senator Geisel und auch der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey eingeschlagene Tempo und der gute Wille, die Misere abzustellen, stößt an die Mentalität einer Verwaltung und Politik – übrigens auch in der Regierungskoalition-, die in einem Investor immer noch einen Feind sieht und nicht einen Partner.

BERLINboxx: Senator Geisel führte rund 68.000 ausgereichte Baugenehmigungen an, die jedoch nicht in Bauaktivitäten mündeten. Wird in Berlin mit Bauland spekuliert?

Oliver Koch: Leider scheint das zumindest teilweise so zu sein. Spekulation ist abzulehnen, weil sie sich gegen die Gesellschaft richtet und den dringend erforderlichen Neubau verhindert. Aber erst einmal ist das nur eine Zahl und um sie bewerten zu können, müssten wir wissen, welche konkreten Gründe sind dafür verantwortlich, dass mit dem Bauen noch nicht begonnen wurde. Festzustellen ist nach meiner Kenntnis, dass die überwiegende Mehrheit der Projektentwickler daran interessiert ist, schnell zu entwickeln und zu bauen. Das gilt für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ebenso wie für die Privatwirtschaft. Wir sind sehr daran interessiert, unzeitgemäße und energetisch nicht mehr vertretbare Häuser schnell dem Markt zur Verfügung zu stellen. Dabei sind die dafür erforderlichen Genehmigungen der kritische und nur schwer zu kalkulierende Faktor. Auch aus ökologischen Gründen spricht vieles dafür Genehmigungen im Bestandsbereich zu beschleunigen. Es ist unstrittig, dass der energetische Footprint bei einer Bestandsimmobilie signifikant geringer als bei einem Neubau. Das ist ein wichtiges Argument bei der Entscheidung für eine Bestandsimmobilie gegenüber der Neubauwohnung.

BERLINboxx: Wie entwickelt sich die Nachfrage in diesem Segment? Registrieren Sie eine nachlassende Nachfrage auf dem Markt der Eigentumswohnungen?

Oliver Koch: Davon kann keine Rede sein. Trotz erhöhter Zinsen, trotz Inflationsgefahr und einer bedrohlichen geopolitischen Lage ist der Trend zur eigenen Immobilie in Berlin ungebrochen. Berlin ist – verglichen mit anderen Städten in Deutschland wie München oder Frankfurt und erst recht im internationalen Vergleich noch immer vergleichsweise günstig. Ich spreche nicht vom Luxussegment sondern von ganz normalen Immobilien in guten bis sehr guten Lagen. Im Gegenteil: Durch Corona hat die Wertschätzung von Immobilieneigentum deutlich zugenommen. Es gibt keine wertstabilere Alternative bei der Vermögensallokation als die eigengenutzte oder vermietete Eigentumswohnung.

BERLINboxx: Andreas Geisel hat Sie und die anderen Spitzenvertreter der Branche gebeten, in ihrem Engagement nicht nachzulassen. Können Sie ihm das zusagen?

Oliver Koch: Ich habe dem Senator schon persönlich zugesichert, dass er sich auf uns verlassen kann. Geisel hat einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Er sieht uns in der Privatwirtschaft als Partner, er stellt Weichen zum Beispiel mit der Senatskommission Wohnungsbau, einem ressortübergreifenden Entscheidungsgremium, das Blockaden auflösen soll, aber auch mit einer Erhöhung der Förderung von Sozialwohnungen von 500 Mio EUR auf 750 Mio EUR. Auch seine Pläne zur Digitalisierung der Verwaltung gehen in die richtige Richtung. Endlich ein Senator in diesem wichtigen Ressort, der auch eine realistische Meinung zum Thema Wohnungseigentum hat und sie als wichtige Option sieht wie in unserer Stadt gelebt werden kann. Es geht nämlich gar nicht darum aus Berlin eine „Stadt mit Eigentümern“ zu machen. Natürlich wird Berlin primär eine Mieterstadt bleiben. Aber uns geht es darum den Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung leben, oder ihre Alterssicherung mit Hilfe einer vermieteten Wohnung gestalten wollen, die Chance zu eröffnen eine passende Wohnung anzubieten.

Dieser Senator wie auch die Regierende Bürgermeisterin sehen Berlins Chance im Wachstum und haben erkannt, dass dieses Ziel nur gemeinsam zu erreichen ist. Wir sind gern Teil dieser Politik und teilen den Optimismus für ein lebenswertes und undogmatisch und tolerantes Berlin.