Giffeys ErbInnen
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Per Brief, der „zufällig“ auch der Nachrichtenagentur dpa zugegangen war, informierte Franziska Giffey gleich zum Jahresbeginn ihre GenossInnen, dass sie den SPD-Landesvorsitz abzugeben gedenke. Konkret wolle sie bei der Vorstandswahl im Mai nicht erneut antreten. Die Partei brauche eine Neuaufstellung, so die die Begründung der früheren Berliner Regierungschefin und derzeitigen Bürgermeisterin, Wirtschaftssenatorin und Juniorpartnerin im schwarz-roten Senat.
Seitdem wird nicht nur in sozialdemokratischen Kreisen kräftig spekuliert, wer ihre Nachfolge antreten könnte. Als aussichtsreichster Kandidat gilt Raed Saleh. Der umtriebige Netzwerker steht seit 2020 gemeinsam mit Franziska Giffey an der Spitze der Hauptstadt-SPD, die er ebenso geräuschlos wie machtvoll führt. Für den weiblichen Part in der traditionellen Doppelspitze werden, wie zu hören ist, Luise Lehmann gute Chancen eingeräumt. Die promovierte Neurochirurgin im Klinikum Buch ist gesundheits- und gleichstellungspolitische Sprecherin, zudem Mitglied bei AWO und Ver.di. Mehr SPD-Stallgeruch geht fast nicht.
Mit Vize-Landeschef Kian Niroomand und Jana Bartels von den SPD Frauen dürfte ein weiteres Aspiranten-Duo ins Rennen gehen. Deren Handicap: weder der promovierte Volkswirt Niroomand noch die feministische Vorkämpferin verfügen im Unterschied zu Raed Saleh über eine verlässliche Hausmacht bei den Berliner Sozen.
Ein ernstzunehmender Gegenkandidat könnte Saleh allenfalls in Martin Hikel erwachsen. Der Neuköllner Bezirksbürgermeister ist an der Basis außerordentlich beliebt und hat sich im Problembezirk kommunalpolitische Meriten erworben. Er wird wohl im Tandem mit Franziska Becker starten. Sie verfügt als Staatssekretärin für Sport in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport über Regierungserfahrung und weiß den einflussreichen Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf hinter sich.
Und dann ist da noch Kevin Hönicke. Der skandalumwitterte (Noch-)Stadtrat in Lichtenberg hat gerade, auch für die eigenen GenossInnen überraschend, seinen Hut in den Ring geworfen. Allerdings ohne allzu große Aussicht auf Erfolg. „Eher holen wir bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit, als dass Hönicke Co-Vorsitzender der Berliner SPD“, witzelte ein prominenter Genosse.
Wer auch immer bei der Vorstandswahl antritt, Franziska Giffeys potenzielle Erben sind allesamt nicht zu beneiden. Sie müssen ihre Partei aus dem demoskopischen Keller zurück in die Beletage führen. Eine Herkulesaufgabe, denn die einst stolze Hauptstadt-SPD ist derzeit nur noch ein Schatten ihrer selbst. In Umfragen dümpelt sie bei 15 Prozent herum – gleichauf mit der AfD und weit abgeschlagen hinter dem Seniorpartner CDU. Schon deswegen ist die Nachfolgefrage weit mehr als eine reine Personalie. Es bleibt spannend – und die BERLINboxx dran. (red)