
Franz Stein im Telegraphenamt: Malerei zum Begehen, Denken und Fühlen
Mit der Ausstellung SUNLIT LOVE gelingt dem jungen Künstler Franz Stein ein eindrucksvolles Debüt bei KÖNIG TELEGRAPHENAMT. Der monumentale Teppich im Zentrum der Schau ist mehr als nur ein spektakulärer Hingucker – er ist ein künstlerisches Statement, das Raum, Material, Bewegung und Imagination miteinander verschränkt. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie Stein die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Rauminstallation überschreitet und dabei doch ganz bei sich bleibt.
Der 55 Quadratmeter große Teppich liegt wie ein weiches Landschaftsgemälde auf dem Boden des Ausstellungsraums. Hügel, Senken, Linien und Farbflächen öffnen ein topografisches Erlebnis zwischen Fantasie und Verortung. Was aussieht wie ein Teppich, lässt sich lesen wie ein Gemälde – nur dass der Betrachter diesmal nicht vor, sondern in das Bild tritt. Jeder Schritt über die weichen Wollflächen erweitert das Verständnis dessen, was Kunst im Raum sein kann: eine begehbare Utopie, ein sinnliches Bildfeld, eine Einladung zur Kontemplation.
Stein hat das Werk über elf Monate hinweg mithilfe der traditionellen Tufting-Methode gefertigt. Dabei wird Wolle in verschiedenen Höhen und Dichten Schicht für Schicht eingearbeitet – in 21 einzelnen Segmenten, die als eigenständige Teppiche funktionieren, aber zusammen eine monumentale, zusammenhängende Bildlandschaft ergeben. Die ästhetische Raffinesse des Werks liegt nicht nur in seiner handwerklichen Komplexität, sondern in seiner konzeptuellen Tiefe: Der Schritt von der Leinwand auf den Boden, vom formalen Bild zum „fluffy field“, ist ein künstlerischer Quantensprung – und doch logische Konsequenz einer Praxis, die sich schon zuvor durch Leichtigkeit, Freude und Bewegung ausgezeichnet hat.

Diese Entwicklung wurzelt auch in Steins Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo er von Gregor Hildebrandt und Daniel Richter unterrichtet wurde. Beide prägen in ihrer Unterschiedlichkeit die aktuelle Kunstszene – Hildebrandt durch seine mediale Reduktion und formale Strenge, Richter durch seine expressive Farbgewalt und politische Bildsprache. In Franz Stein scheint beides aufgehoben: Er verbindet die konzeptuelle Klarheit mit einem fast tänzerischen, intuitiven Zugriff auf Material und Form.
Dass eine solche Position heute sichtbar wird, ist auch dem Galeristen Johann König zu verdanken. Mit dem Telegraphenamt hat er einen Raum geschaffen, der jenseits der klassischen White Cube-Ästhetik junge künstlerische Handschriften zur vollen Entfaltung bringt. König bietet mit seiner Galerie kulturelle Resonanzräume – gerade für die nächste Generation von Künstlerinnen und Künstlern.
Franz Stein hat mit SUNLIT LOVE nicht einfach eine Ausstellung geschaffen, sondern ein Erlebnis. Wer das Telegraphenamt betritt, betritt auch eine neue Welt – weich, farbig, offen. Ein starkes Debüt, ein poetischer Teppich, ein Statement für die Zukunft der Kunst. Und ein Beweis, dass Malerei noch lange nicht am Ende ist – sie hat nur ihren Platz gewechselt. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. August besuchbar. (fs)