„Filmförderung hat einen hohen Stellenwert in Deutschland“
Im Gespräch mit Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien
Filme und Serien sind wirkungsmächtige künstlerische Ausdrucksformen. In der Kultur spielen sie daher als Spiegel der Realität eine wichtige Rolle. Die BERLINboxx sprach mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters über Filmförderung, die Rolle des Films in der Gedenkkultur und die Zukunft des deutschen Films.
Für das Jahr 2019 standen 1,9 Milliarden Euro für den Bereich Kultur und Medien zur Verfügung. Knapp 193,6 Millionen Euro flossen in den Bereich Film – welchen Stellenwert nimmt die Filmförderung in Deutschland ein?
Mit über 190 Millionen Euro allein aus dem Bundeshaushalt ist die Filmförderung in Deutschland gut aufgestellt. Nicht zu vergessen sind die zusätzlichen Mittel der Filmförderungsanstalt und der Länderförderer. Bereits diese Summen unterstreichen den hohen Stellenwert der Filmförderung in Deutschland. Die Filmförderung wird auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil der Kulturpolitik sein, um den deutschen Film in einem schwierigen internationalen Umfeld weiter konkurrenzfähig zu machen und zu erhalten.
Ausländische Filmemacher sind oft abgeschreckt, weil in Deutschland – im europäischen Vergleich – nur wenige Fördermittel zur Verfügung stehen. Warum ist das so?
Dass für ausländische Filmemacher keine ausreichenden Fördermittel zur Verfügung stehen würden, ist nicht zutreffend. Ganz im Gegenteil. Im Jahr 2017 wurde der DFFF II eingeführt, der sich in erster Linie an internationale Großproduktionen richtet. Auch in diesem Jahr stehen für Förderungen nach dem DFFF II wieder 75 Millionen Euro zur Verfügung. Pro Film können bis zu 25 Millionen Euro vergeben werden. Daneben ist im vergangenen Jahr der German Motion Picture Fund (GMPF) in die Zuständigkeit der BKM gewechselt, der ebenfalls aufgestockt wurde (nämlich um 50 Prozent). Vom GMPF profitieren insbesondere auch internationale Produktionen. Insgesamt wurden die Mittel für die Produktionsförderung der BKM in den letzten Jahren verdreifacht. Damit ist Deutschland im internationalen Standortwettbewerb vorne mit dabei.
Zu Ihrem Verantwortungsbereich gehört auch die Förderung von Gedenkkultur, insbesondere der große Bereich der Erinnerung an NS-Herrschaft und SED-Diktatur. Gerade für die Zeit des Dritten Reichs und den Holocaust stehen immer weniger Zeitzeugen zur Verfügung. Welche Auswirkungen hat dies auf die Verteilung der Fördermittel?
Auf Initiative und mit Finanzierung durch BKM betreibt die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit 2017 eine neue zentrale Video-Sammlung von Zeitzeugeninterviews zur deutschen Geschichte unter www.zeitzeugen-portal.de. Der Bestand lädt dazu ein, individuelle Erzählungen über die Vergangenheit zu entdecken, zu recherchieren und zu analysieren. Das Portal richtet sich an eine breite Zielgruppe: an Geschichtsinteressierte, an Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrer, an Multiplikatoren, Studierende und Wissenschaftler. Es will der gewachsenen Bedeutung von Zeitzeugeninterviews und ihrem Vermittlungspotential Rechnung tragen sowie für die Besonderheiten des Mediums „Zeitzeugeninterview“ sensibilisieren.
Zurzeit umfasst die Seite www.zeitzeugen-portal.de den Bestand des ehemaligen Vereins „Gedächtnis der Nation“. Dabei handelt es sich um rund 1.000 Interviews zur deutschen Geschichte, die in rund 8.000 einzelnen Clips auf dem Portal anzusehen sind. Hinzu kommt Material aus dem Archivbestand des ZDF, darunter rund 40 Interviews mit bedeutenden Persönlichkeiten der deutschen Zeitgeschichte. Diese Inhalte sind über die drei Zugänge „Zeiträume“, „Themen“ oder „Personen“ erschließbar. Der derzeitige Inhalt soll sukzessive um weitere Bestände ergänzt werden. Das Portal wird zudem kontinuierlich mit weiteren Funktionen ausgestattet und mit zielgruppenspezifischen weiterführenden Informationen versehen.
Für den SED-Bereich gilt ergänzend, dass alle Einrichtungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Zeitzeugenprogramme unterschiedlichster Art betreiben, teilweise auch Audio- und audiovisuelle Dokumentation vornehmen. Dies erfolgt jedoch in der Regel nach wissenschaftlichen Kriterien, nicht nach den dramaturgischen Regeln des Films.
Welche Rolle könnte hier der Film einnehmen, um diese Lücke zu füllen?
Das Medium Film hat durch seine vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten besonderes Potential, um Geschichte zu dokumentieren, aber vor allem auch neu zum Leben zu erwecken und damit für nachfolgende Generationen greif- und nachvollziehbarer zu machen. Die verschiedenen Filmförderungsinstrumente stehen natürlich auch Filmemachern zur Verfügung, die sich historischen Stoffen – ob in dokumentarischer oder fiktionaler Form – annehmen möchten und hierfür finanzielle Unterstützung benötigen, wobei auf Bundesebene ausschließlich Kino- und High-End-Serienproduktionen gefördert werden können. So wird auch ein weiterer Beitrag geleistet, um die Erinnerungen von Zeitzeugen künstlerisch aufzuarbeiten, zugänglich zu machen und für das kollektive Gedächtnis zu erhalten.
Was wünschen Sie sich für den deutschen Film 2020?
Für das kommende Jahr wäre wünschenswert, dass mit all dem in Deutschland zur Verfügung stehenden kreativen und finanziellen Potential wieder ein deutlicher Anstieg der Besucherzahlen und Umsätze auf dem Kinomarkt erreicht werden kann. Die Kino-Bilanz der FFA für das erste Halbjahr 2019 und die für dieses Jahr noch angekündigten, erfolgversprechenden Kinostarts stimmen insofern zuversichtlich, dass sich die sehr enttäuschenden Zahlen des Jahres 2018 wohl nicht wiederholen werden.Zu hoffen ist allerdings auch, dass alle Beteiligten aus diesem Tief lernen und Konsequenzen ziehen werden. Gemeinsames Ziel sollte es sein, sowohl das Kino für die exklusive Erstauswertung von Filmen als auch den deutschen Film an sich wieder attraktiver für den Zuschauer zu machen. Nicht zuletzt würde es mich natürlich auch freuen, wenn der deutsche Film auch international noch besser reüssieren würde. (dd)