Europa gut für Mittelständler - doch Bürokratie bremst Wachstum
Rund 95 Prozent der exportorientierten Mittelständler profitieren vom europäischen Binnenmarkt. Das geht aus dem Bericht „Das Potential des EU Binnenmarkts“ des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Zusammenarbeit mit der Implement Consulting Group und Amazon hervor. Die Studie, basierend auf der umfangreichen Befragung von europäischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), entwickelt 11 konkrete Empfehlungen zur weiteren Stärkung des EU-Binnenmarktes.
So finden es 63 Prozent der deutschen kleineren und mittleren Unternehmen einfacher, in andere Mitgliedstaaten des Binnenmarktes zu exportieren als in Drittländer. Gleichzeitig geben 43 Prozent der Befragten an, dass die Ausfuhren in die Mitgliedstaaten des Binnenmarktes es durch die dabei gemachten Erfahrungen erleichtert haben, in einem nächsten Schritt dann auch in Drittländer zu exportieren.
Allerdings: Regulatorische Hemmnisse und Bürokratie schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen, treiben Kosten und können Wachstum und Innovationen bremsen. Dies geben 60 Prozent der befragten Unternehmen an. Zudem sagt jeder Zweite der befragten Mittelständler, dass die unterschiedlichen Regelungen des Binnenmarktes die Handlungsfähigkeit von Unternehmen einschränken. Fast jedes dritte Unternehmen gibt an, sich nicht an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, weil die regulatorischen Hürden zu hoch seien.
„Vereinfachte und einheitliche Vorschriften und Bürokratieabbau würde besonders kleine und mittlere Unternehmen stärken, die nicht über die personellen und finanziellen Ressourcen verfügen, um regulatorische oder bürokratische Hürden zu meistern“, sagt Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführers des BVMW.
Zudem geben 87 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Exporte steigen könnten, wenn alle Mitgliedsstaaten die EU-Rechtsvorschriften gleichzeitig und auf die gleiche Weise umsetzen würden.
„Die Studie zeigt deutlich die Potenziale, die eine Harmonisierung von Rechtsvorschriften und die Reduzierung der Handelshemmnisse für das Wachstum in Europa mit sich bringen würden“, sagt Markus Schoeberl, Amazon Director Seller Services Deutschland. „Davon würden auch die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren, mit denen wir in ganz Europa zusammenarbeiten.“ Mehr KMUs aus Deutschland als je zuvor – circa 47.500 – hatten im Kalenderjahr 2022 über 725 Millionen Produkte via Amazon Marketplace verkauft.
Diese deutschen Ergebnisse sind auch in die Metastudie ,,A path to prosperity, competitiveness and growth: putting SMEs back at the centre of the Single Market“ zu pan-europäischer Untersuchungen eingeflossen. Sie kommt, basierend auf einer umfassenden europaweiten Umfrage von mehr als 3.000 exportorientierten KMU in 11 EU-Ländern sowie ausführlichen Interviews, europaweit zu ähnlichen Ergebnissen.
Schließlich sind 81 Prozent der befragten, europäischen KMU der Ansicht, dass regulatorische Hindernisse ihre Möglichkeiten zur Geschäftstätigkeit im Binnenmarkt einschränken.
KMU sind jedoch das Rückgrat der EU-Wirtschaft: Sie machen 96 Prozent aller EU-Unternehmen aus, tragen fast 52 Prozent zum BIP der EU bei und stellen zwei Drittel der Arbeitsplätze im privaten Sektor. Trotz ihrer hohen Zahl stehen die KMU für nur 37 Prozent der gesamten EU-Exporte aus.
Der Binnenmarkt ist demnach zentral für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Basierend auf dem gerade veröffentlichten Bericht zur Zukunft des EU-Binnenmarkts soll ein nachhaltiger, weltoffener und innovationsfreundlicher Binnenmarkt im Mittelpunkt der nächsten Agenda der Europäischen Kommission 2024-2029 stehen. Dieser muss die nötige Größenordnung bieten, um Investitionen anzuziehen, Innovationen zu fördern und Unternehmen aller Größen und Verbraucher zu begünstigen.
Die Umfrageergebnisse bilden die Basis für einen 11-Punkte-Plan, der Unternehmen entlastet und die EU-Wirtschaft insgesamt stärker und widerstandsfähiger machen könnte. Der Plan sieht unter anderem Verbesserungen in den Bereichen Regulierung und Digitalisierung sowie in den Bereichen Umsatzsteuer-Vereinheitlichung und Vereinfachungen des Zahlungsverkehrs vor. (red)