
Der Bau-Turbo wird keine kurzfristigen Effekte an den Kapitalmärkten auslösen
Interview mit Kapitalmarktanalyst Stefan Scharff, SRC Research
Stefan Scharff gilt als einer der versiertesten bankenunabhängigen Aktienresearcher für den Bereich Finanzwerte und Immobilienaktien in Deutschland und Österreich. Er wurde mehrfach mit dem Thomson Reuters Analyst Award ausgezeichnet und ist regelmäßig Gast zu Börsenthemen im deutschen Fernsehen. Das von ihm gegründete Frankfurter Researchinstitut SRC Research hat die wichtigsten Aktien in diesem Segment auf der Coverageliste. SRC Research ist der Partner von Business Network wenn es um das Dienstleistungssegment Investor Relations und Kapitalmarktkommunikation geht. Frank Schmeichel, Gründer der international tätigen Kommunikation-Gruppe Business Network, ist seit über zehn Jahren Mitglied im Advisory Committee von SRC Research.
Frank Schmeichel: Herr Scharff, wie ist die aktuelle Verfasstheit des gewerblichen Immobilienmarktes in Deutschland?
Stefan Scharff: Im Moment liegen Shopping-Immobilien vorne, während Büroimmobilien beim Transaktionsvolumen erst an dritter Stelle kommen. Einen Aufschwung an breiter Front im Bereich Gewerbeimmobilien werden wir erst dann sehen, wenn es auch eine deutliche Belebung bei den Transaktionen mit Büroimmobilien gibt. Dort ist das Interesse von Investoren noch recht verhalten, und die Vorstellungen bezüglich der Kaufpreise liegen noch zu weit auseinander.
Frank Schmeichel: Wenn wir auf den Aktienmarkt schauen, bleibt es bearish. Worauf sollten Anleger bei Immobilienunternehmen besonders achten?
Stefan Scharff: Man muss sich sehr genau anschauen, wie das Portfolio gestaltet ist. Ist ein Großteil bereits in Green Assets, also nachhaltige und wertstabile Immobilien, überführt? Oder sind noch viele Immobilien im Portfolio, die künftig bei Veräußerung oder Finanzierung Probleme machen könnten? Die Portfoliostruktur ist entscheidend, ebenso wie die Finanzierungsstruktur. Viele Unternehmen haben in den letzten ein, zwei Jahren ihre Verschuldung abgebaut und die Passivseite der Bilanz flexibler gestaltet. Das stärkt das Eigenkapital, und solche Aktien werden als Gewinner aus schwierigen Marktverhältnissen hervorgehen.
Frank Schmeichel: Welche Rolle spielen Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit in der Branche?
Stefan Scharff: Nach drei Jahren Rezession erwarten wir spätestens ab 2026 wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung. Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit werden entscheidend sein. Nur noch Immobilien, die höchste Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, werden am Transaktions- und Mietmarkt eine Chance haben. Investoren wollen nur noch nachhaltige Immobilien in ihren Fonds. Die Nutzer erwarten moderne Büroerlebnisse mit hoher Qualität und Verweilqualität. Banken achten ebenfalls darauf, dass die Immobilien in ihren Kreditbüchern höchsten Standards genügen.
Frank Schmeichel: Das Thema Remote Work war während der Corona-Pandemie sehr präsent. Wie sehen Sie die Entwicklung aktuell?
Stefan Scharff: Das Thema hat sich relativiert. Große Konzerne holen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro. Man merkt, dass die Produktivität zu Hause oft nicht an die im Büro herankommt und der Netzwerk- sowie Teamgedanke sehr wichtig sind. Am Ende werden viele wohl drei bis vier Tage im Büro verbringen und einen Tag oder einen halben Tag von zu Hause oder unterwegs arbeiten. Die Büros von heute müssen einen höheren Standard und mehr Lebensqualität bieten als früher. Die Flächennachfrage könnte sinken, aber die Qualitätsanforderungen steigen deutlich.
Frank Schmeichel: Wie wichtig ist die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr für Büroimmobilien?
Stefan Scharff: Das ist ein ganz wesentlicher Faktor. Gute Anbindung an den ÖPNV ist für moderne Büroimmobilien absolut wichtig, gerade weil die Straßen oft verstopft sind. Das gilt in Frankfurt genauso wie in Berlin oder München.
Frank Schmeichel: Die Immobilienbranche hat einen gewissen Nachholbedarf bei Innovationen und das Image ist nicht das Beste. Wie sehen Sie das?
Stefan Scharff: Es gibt sicher Negativbeispiele, die der Reputation geschadet haben, wie SIGNA mit Benko oder ADLER Real Estate. Dennoch gibt es viele Firmen, die sehr stabil arbeiten und die Branche voranbringen. Wir haben in Deutschland und der DACH-Region sehr gute Adressen. Mit einem konjunkturellen Aufschwung wird auch das Interesse der Investoren zurückkehren.
Frank Schmeichel: Wie sieht es im Bereich Wohnimmobilien aus?
Stefan Scharff: In Großstädten fehlen hunderttausende Wohnungen. Es gilt, attraktiven und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, besonders für den Mittelstand und Haushalte mit mittleren oder niedrigeren Einkommen. Aktien wie Vonovia könnten vor einem Rebound stehen. Auch Unternehmen wie UBM, die attraktive Wohnprojekte in Wien, München oder Berlin entwickeln, sind interessant. Im Bereich Gewerbeimmobilien hat die Branicks-Aktie im ersten Quartal gute Zahlen vorgelegt und an der Bilanz gearbeitet.
Frank Schmeichel: Bürokratie und lange Planungsverfahren gelten als Hemmnis bei Immobilienentwicklungen. Was bringt der geplante „Bau-Turbo“ der Bundesregierung?
Stefan Scharff: Die Ansätze sind gut und richtig, aber es kommt darauf an, sie schnell umzusetzen. Das würde die Stimmung im Land verbessern. Kurzfristige Effekte auf die Börse wird das aber nicht haben, da vieles bereits eingepreist ist.
Frank Schmeichel: Wie ist Ihre Prognose für die Aktienmärkte bis Ende 2026, insbesondere im Segment Finanzen und Immobilien?
Stefan Scharff: Die Märkte bleiben spannend und sind von geopolitischen Konflikten beeinflusst. Die neue Regierung unternimmt einiges, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, was sich positiv auf Immobilien und Private Equity auswirken sollte. Ich bin grundsätzlich trotz aller Herausforderungen optimistisch, auch wenn es eine herausfordernde Zeit bleibt. Ob der Sommer an der Börse ruhig wird, kann derzeit niemand sagen.