City West: Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann fordert Bekenntnis zum Wohnungsbau
Wirft man einen Blick auf die durchschnittlichen Mietpreise in den Berliner Bezirken, gehört Charlottenburg-Wilmersdorf zu den Spitzenreitern. Durchschnittlich 12,50 Euro Nettokaltmiete pro Monat sind 2018 bei Neuvermietungen in besseren Wohnlagen der City West fällig geworden, hat der Immobilienverband Deutschland (IVD) ermittelt. In einfachen und mittleren Wohnlagen waren es immerhin noch 10,50 Euro pro Quadratmeter. Die rasant steigenden Mieten und die Wohnungsknappheit lösen bei vielen Menschen in der City West Sorgen und Zukunftsängste aus. Einigkeit besteht über die Frage, dass dringend Wohnungen gebaut werden müssen, um dem rasanten Zuzug in die Hauptstadt Herr zu werden und zumindest die dringendste Wohnungsnot zu lindern. Es gibt kaum ein Thema, über das in der Stadt so heftig diskutiert wird. Gibt es noch Grundstücke, auf denen Wohnungen realisiert werden können? Sollen weitere Hochhäuser errichtet werden, und wenn ja, wo? Müssen die Alteingesessenen angesichts steigender Mieten aus ihrem Kiez wegziehen? Können trotz des Baubooms Grünflächen und Freiräume erhalten bleiben?
Entwicklerfeindliche Atmosphäre in Berlin
Projektentwickler beklagen eine feindselige Atmosphäre in der Stadt und werfen der Politik vor, nichts dagegen zu unternehmen. Aber auch die Stimmung in der Bevölkerung ist häufig nicht von Sympathien für private Entwickler geprägt. Kaum ein Projekt, bei dem sich nicht Bürgerinitiativen gebildet haben, bevor der Entwickler „Bauantrag“ sagen kann. Als Allheilmittel werden oft die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen gesehen. Allerdings kommen diese dem Bedarf nicht im Geringsten hinterher. Von ihren derzeit 24.000 berlinweit geplanten Wohnungen sollen gerade einmal 500 im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf entstehen. Die Rettung kann nur von privaten Bauherren kommen.
Bezirksbürgermeister Naumann appelliert an die Menschen
Ein gutes Beispiel für die kontroverse und oftmals von Partikularinteressen geleitete Debatte ist die Schmargendorfer Cornelsenwiese. Viele Anwohner sind gegen eine Bebauung mit Wohnhäusern, auch weil im Umfeld in den vergangenen Jahren Kleingärten für Wohnbauten beseitigt wurden. Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann bezeichnete die Wiese hingegen als „großes Hundeklo“ und erklärt: „Ich finde es pervers, ein Hundeklo zum ökologischen Biotop zu erklären und damit dringend benötigten Wohnungsbau zu verhindern.“ Im Rahmen einer Veranstaltung appellierte Naumann am Dienstagabend an diejenigen, die eine Wohnung haben, die Menschen, die eine Wohnung suchen, nicht zu vergessen. Es wird sich noch zeigen, ob dieser Appell auch gehört wird.
Paradebeispiel Uhland House
Denn ebenfalls vergessen werden offensichtlich ganz aktuell Menschen, die in die Stadt kommen und dringend eine Wohnung suchen, an einem anderen Standort mitten in Wilmersdorf. Am unteren Ende der Uhlandstraße befindet sich ein Relikt aus alten Tagen. Eine hässliche Flachbau-Fressmeile, die lediglich über eine Tiefe von circa drei Metern verfügt. Dahinter ragt eine riesige Brandwand empor. Um die Ecke in der Fechnerstraße 7 schließt sich an das Ensemble ein Gebäude aus den sechziger Jahren an, in dem sich Ein- bis Zweizimmerwohnungen befinden. Gutachterliche Untersuchungen haben ergeben, dass das Gebäude mit Asbest belastet ist und von modernen energetischen Vorgaben weit entfernt ist. Das gesamte Areal wirkt aus der Zeit gefallen, ein städtebaulicher Alptraum. Das mittelständische Unternehmen Krieger + Schramm plant nun den Abriss der Gebäude und die Schaffung von 124 Wohnungen.
Schaffung von Wohnraum wird pauschal abgelehnt
Man könnte meinen, dass der Bezirk und die Menschen ein Vorhaben wie das Uhland House begrüßen würden. Denn schließlich würde nicht nur Stadtreparatur an einem zentralen Standort betrieben werden, es würden auch dringend benötigte Mietwohnungen zu bezahlbaren Preisen entstehen. Andernorts würde man vielleicht einem solchen Vorhaben mit aufgeschlossenem Interesse begegnen, doch nicht so in Berlin. Diskutiert wird über die angebliche Entmietung im Bestandsgebäude der Fechnerstraße, auch wenn sich der Vorhabenträger von Beginn an für eine soziale und für alle Seiten zufriedenstellende Lösung eingesetzt hat. Zu diesem Zweck wurde eigens ein Mediator berufen, den Mietern wurden alternative Wohnmöglichkeiten angeboten, Ausgleichszahlungen wurden vereinbart. Krieger + Schramm hat sich außerdem strikt zu den Vorgaben des Zweckentfremdungsverbots bekannt. „In dem neuen Uhland House sollen 24 Wohnungen zu einem Mietpreis von 7,92 Euro pro Quadratmeter entstehen. Es sollen Ein- bis Dreizimmerwohnungen für Alleinstehende, Familien und Senioren geschaffen werden. Angestrebt ist eine gemischte Hausgemeinschaft“, so Krieger + Schramm-Geschäftsführer Mirko Fiedler. Die Mieterrechte will Fiedler sogar in einem städtebaulichen Vertrag rechtswirksam garantieren.
Überbauung von öffentlichem Raum ist unumgänglich
Zusätzlich zu der sozialen Komponente des Vorhabens wird über die notwendige Überbauung des öffentlichen Raums, also des Bürgersteigs, mit einer Arkade diskutiert. Für den Architekten Christoph Schwebel vom Büro Patzschke + Schwebel ist eine solche Überbauung alternativlos: „Das Gebäude verfügt über eine zu geringe Tiefe. Wenn wir an dem Standort Wohnraum schaffen wollen, dann geht das nur mit einer Überbauung des Gehwegs. Eine Lösung, die im Übrigen in der direkten Umgebung auch so schon mehrfach umgesetzt wurde.“ In der Tat befinden sich sogar in unmittelbarer Nähe mehrere durch Arkaden überbaute Gehwege in der Berliner und Blissestraße. Eine solche Arkade würde für den Bezirk einen weiteren Nutzen mit sich bringen, denn schließlich hätte Krieger + Schramm im Falle der Überbauung regelmäßige Sondernutzungsgebühren zu entrichten.
SPD-Fraktion will lieber den Status quo bewahren
Schon seit eineinhalb Jahren befindet man sich in Gesprächen mit dem Bezirk und hat bereits deutliche Zugeständnisse an die Anforderungen des Stadtplanungsamts gemacht. Obwohl sich also der Entwickler in einer Abstimmungsphase mit dem Stadtplanungsamt befindet, kommt nun erneut Störfeuer aus Richtung der SPD-Fraktion. Da nun die soziale Komponente weitgehend geklärt ist, wird plötzlich die notwendige Überbauung ins Feld geführt, offensichtlich mit dem Ziel, das Vorhaben zu verhindern. Erstaunlicherweise scheinen einige Verantwortliche im Bezirk nach wie vor der Meinung zu sein, dass es besser sei, den Status quo einfach zu bewahren. Das würde bedeuten: Keine Stadtreparatur und keine Wohnungen.
Ideologie versus Vernunft?
Ein gutes Beispiel für ideologisch geführte Debatten, die zu keinem Ziel führen. Es ist legitim, als Bezirk mit dem Entwickler gemeinsam nach der besten Lösung zu suchen und dadurch letzten Endes den so dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Doch ist die Denkweise vieler Verantwortlicher oftmals strukturkonservativ, was dazu führt, dass auch sinnvolle Projekte verhindert werden. Mittlerweile spricht man in gewissen Kreisen nicht einmal mehr nur hinter vorgehaltener Hand von Zuzugsbeschränkungen und Enteignungen. Davon abgesehen, dass solche Vorschläge gegen das Grundgesetz verstoßen, wird dadurch auch ein Klima geschaffen, das denjenigen, die Wohnungen bauen wollen, gehörig die Lust darauf vermiest. Manche mögen das bejubeln, doch was ist die Folge? Ganz einfach, es entstehen keine Wohnungen! Es mag sein, dass manche meinen, sie würden ihr politisches Profil schärfen, indem sie einem Entwickler einen Strich durch die Rechnung gemacht und den Profit eines Unternehmens verhindert haben. Übersehen wird dabei allerdings leider viel zu oft, dass man in erster Linie die Schaffung von Wohnraum verhindert hat und dadurch (mal wieder) den Menschen schadet, die eine passende und angemessene Wohnung in Berlin finden müssen. (ak)