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Bürgerversammlung in Lichtenberg: Anwohner wollen neues Quartier
Kontroverse Diskussionen bei der Bürgerversammlung in Lichtenberg | BERLINboxx

Bürgerversammlung in Lichtenberg: Anwohner wollen neues Quartier

01. September 2022

Auf der Bürgerversammlung des Bezirks Lichtenberg geriet die Verwaltungsspitze des Bezirksamts Lichtenberg unter erheblichen Druck. Im Zentrum der kontroversen Diskussion standen die Pläne des Projektentwicklers Zeitgeist, auf dem Areal in Alt-Hohenschönhausen, zwischen Gärtner-, Gensler, Lichtenauer- und Ferdinand-Schultze-Straße auf einer Fläche von 27 Hektar ein Quartier der Zukunft zu bauen. Auf dem Gelände, das eine Größe von rund 45 Fußballfeldern hat, sollen nach den Plänen 3500 neue und bezahlbare Wohnungen entstehen, mit Grün- und Spielplatzflächen. Darüber hinaus soll die heute zu 95 Prozent versiegelte Gewerbebrache neben der Gedenkstätte Hohenschönhausen wiederbelebt und 200 neue Betriebe angesiedelt werden. Indes beharrt das Bezirksamt hartnäckig auf einer alten Planung, die eine gewerbliche Nutzung festschreibt.

Auf der Bürgerversammlung eröffnete der stellvertretende Bezirksbürgermeister Kevin Hönicke (SPD) die Diskussion und stellte erkennbar verschnupft fest, dass es Zeitgeist gelungen sei, seine Pläne über die Medien sehr wirksam darzustellen. Hönicke hob hervor, dass seiner Meinung nach Berlin Gewerbeflächen brauche, wiewohl er verlegen einräumen musste, dass der Zustand der Gewerbebrache in Alt-Hohenschönhausen niemanden zufriedenstelle. Dabei wurde er von mehreren Teilnehmern der Runde darauf verwiesen, dass der miserable Zustand des Areals schon viele Jahre offensichtlich sei und die politische Verantwortung dafür beim Bezirk liege.

Dann stellte Heinz Tibbe, der Geschäftsführer des vom Bezirksamt beauftragten Planungsunternehmen Gruppe Planwerk, die Vorstellungen vor, wie das Areal entwickelt werden könne. Dabei wurde aber schnell deutlich, dass die Idee eines gemischten Areals weder von dem Planungsunternehmen noch vom Bezirksamt jemals ernsthaft erwogen worden sind. Völlig schwammig blieben dann die Auskünfte Tibbes auf die Frage, ob denn eine Industriebahn erwogen werde, die in die verödete Gewerbebrache führen soll. Weder wollte Tibbe auf der Bürgerversammlung bestätigen, dass der Bau einer solchen Geisterbahn ernsthaft in Betracht gezogen werde, noch wollte er das dementieren – man müsse halt sehen, was komme, lautete die lapidare Auskunft, die so recht keinen überzeugte. Vertreter des Wirtschaftskreises Hohenschönhausen-Lichtenberg hielten Tibbe vor, dass der Bau einer solchen Bahn völlig an den Realitäten vorbeigehe. Weder sei ein Frachtaufkommen realistisch, das den Bau einer solchen Bahn rechtfertige, noch sei diese wirtschaftlich zu unterhalten. Zudem rechnete der Wirtschaftskreis Hönicke und Tibbe vor, dass Lichtenberg im Vergleich mit anderen Berliner Bezirken überdurchschnittlich viele Gewerbeflächen habe – aber deutlich weniger Wohnfläche.

Je länger die abendliche Bürgerversammlung andauerte, desto drängender wurden die Fragen an die Vertreter des Bezirksamtes. Für Fassungslosigkeit sorgten Einlassungen, dass das Bezirksamt sich nicht an die eindeutigen Beschlüsse der Bezirksversammlung gebunden sehe. Die BVV hatte die Entwicklung eines gemischten Quartiers gefordert. Immer wieder verwiesen Bürger darauf, dass alle Umfragen gezeigt hätten, dass die übergroße Mehrheit der Anwohner in Alt-Hohenschönhausen ein gemischtes Quartier will. Eine Anwohnerin brachte es auf den Punkt als sie sagte: „Das, was Zeitgeist will, ist das, was wir wollen“. Eindringlich wurden am Schluss der Versammlung die Vertreter des Bezirksamtes gebeten, die bisher halsstarrige Haltung aufzugeben und auf Zeitgeist zuzugehen. (rj)