Bestandsaufnahme: Berlin fehlen 56.000 Wohnungen, Neubau läuft schleppend
Pestel-Institut legt Wohnungsmarkt-Untersuchung für die Hauptstadt vor
Berlin hat ein Wohnungsdefizit: Aktuell fehlen rund 56.000 Wohnungen. Gleichzeitig stehen in der Hauptstadt 11.760 Wohnungen bereits seit einem Jahr oder länger leer. Wer eine Wohnung sucht, sollte sich darauf aber keine Hoffnungen machen: Wohnungen, die lange Zeit leer stehen, gehen kaum wieder in die Vermietung. Diese Zahlen für Berlin gehen aus der aktuellen regionalen Wohnungsmarkt-Untersuchung des Pestel-Instituts hervor. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei den Wohnungsbestand, die Bevölkerungsentwicklung, Prognosen für den Arbeitsmarkt und den Beschäftigungsgrad analysiert.
„Vom Arbeitskräftebedarf über die Geburten bis zu den Sterbefällen: Es wird sich in der Hauptstadt eine Menge tun – und auf dem Wohnungsmarkt tun müssen. Das bedeutet konkret: In den nächsten fünf Jahren müssen rund 16.440 neue Wohnungen in Berlin gebaut werden – und zwar pro Jahr“, sagt Matthias Günther, Chef-Ökonom des Pestel-Instituts.
Dieses Wohnungsbaupensum hält Günther für Berlin allerdings für „nur schwer machbar“. So habe es im ersten Halbjahr dieses Jahres lediglich 6.560 Baugenehmigungen für neue Wohnungen in Berlin gegeben. „Das reicht natürlich nicht. Der Neubau von Wohnungen in Berlin läuft mit angezogener Handbremse. Da muss vor allem bundespolitisch mehr passieren, um den Neubau von Wohnungen wieder anzukurbeln. Und das möglichst schnell“, so Günther.
Dabei gibt es für den Leiter des Pestel-Instituts vor allem ein effektives Instrument, das den Wohnungsbau auch in Berlin flott in Fahrt bringen würde: „Dringend notwendig ist günstiges Baugeld. Der Bund muss ein Zins-Programm auflegen: maximal 2 Prozent Zinsen – teurer darf die Finanzierung beim Wohnungsbau nicht sein. Dann wären deutlich mehr private Bauherren, aber auch Investoren endlich wieder in der Lage, neue Wohnungen in Berlin zu bauen. Vor allem würde das schnell einen Effekt bringen: Mit einem Niedrigzins-Baugeld würde der Bund einen wirklichen Turbo für den Neubau von Wohnungen starten“, ist der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts überzeugt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die regionale Wohnungsmarkt-Analyse im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Dessen Präsidentin fehlen klare Signale – Anreize, die kurzfristig wirken: „In Sachen Wohnungsbau passiert bei der neuen Bundesregierung zu wenig. Nur das Schlagwort ‚Wohnungsbau-Turbo‘ geistert seit Monaten durch die Republik. Doch von einem ‚Turbo‘ kann keine Rede sein. Die Maßnahmen wirken nur mittel- bis langfristig. Jedenfalls ist von dem versprochenen ‚Turbo-Effekt‘ in Berlin und auch sonst nirgendwo etwas zu merken“, sagt Katharina Metzger, Präsidentin des BDB. Selbst da, wo es ein Plus bei den Baugenehmigungen gebe, passiere dies auf „denkbar niedrigem Niveau“.
Dabei sei der Wohnungsbau ein wichtiger Motor der Binnenkonjunktur: „Läuft der Wohnungsbau, dann läuft auch die Wirtschaft. Deshalb ist es höchste Zeit, dass Bundeskanzler Merz den Wohnungsbau jetzt zur Chefsache macht“, fordert die Präsidentin des Baustoff-Fachhandels. Passiere nichts, dann sacke der Neubau weiter ab. Schon jetzt verliere der Bau Tag für Tag Kapazitäten: „Bauunternehmen gehen in die Insolvenz. Bauarbeiter verlieren ihre Jobs“, so Metzger.
Außerdem sei das Bauen zu kompliziert und zu teuer geworden, kritisiert der Baustoff-Fachhandel. Ein Punkt, den auch das Pestel-Institut unterstreicht: „Deutschland muss dringend wieder einfacher bauen. Wenn der Bund alle Auflagen und Vorschriften der letzten zehn Jahre komplett zurücknehmen würde, dann könnten in Berlin ziemlich schnell wieder deutlich mehr und deutlich günstigere Wohnungen gebaut werden. Und zwar Wohnungen mit einem guten Standard. Manchmal ist weniger eben mehr“, sagt Günther. (red)