BusinessMagazin
Berlin holt sich seine S-Bahn zurück
Die S-Bahn wird wieder in die Hand des Berliner Senats gelangen. | Foto: S-Bahn Berlin GmbH / D. Ulrich

Berlin holt sich seine S-Bahn zurück

07. Mai 2021

Mit ihrem rot-gelben Design zieht sich die Stadtbahn, kurz S-Bahn durch Berlin. Betrieben wird sie bisher von der Deutschen Bahn, einem privaten Verkehrsunternehmen. Das soll sich nun ändern. Am Donnerstagabend beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus die Gründung der "Landesanstalt für Schienenfahrzeuge Berlin", kurz LFSB, per Gesetz. Damit wird das Land Berlin in Zukunft Eigentümer der Stadtbahn.

Dezentralisierung ist das Stichwort

Das neue Gesetz wird die S-Bahn in ihrer Beschaffung, Betrieb und Wartung komplett umstrukturieren. Die Aufgabenfelder liegen derzeit noch in der Hand der Deutschen Bahn. Ab 2027 sollen diese Tätigkeiten aufgeteilt werden – in sogenannte Teillose. Hierfür wurden bereits Ausschreibungen vom Land veröffentlicht, in denen Unternehmen für die jeweiligen Lose oder für das Gesamtpaket von vier Losen gesucht werden. Die vier Lose teilen sich in zwei Lose für Beschaffung und Wartung sowie zwei Lose für den Betrieb auf der Nord-Süd-Bahn und der S-Bahn auf.

Dabei werden Unternehmen gesucht, die die Züge beschaffen und 30 Jahre instandhalten. Sobald die Züge in die Benutzung übergehen, werden sie automatisch Besitz des Landes Berlin. Das Unternehmen kümmert sich dann noch um die Wartung. Hintergrund dessen ist die Gründung des landeseigenen „Fahrzeugpools“ der LFSB. Für sie sollen Wagons gekauft und auf der Nord-Süd-Bahn sowie auf der Stadtbahn eingesetzt werden.

Stimmen zum Gesetz aus dem Berliner Abgeordnetenhaus

„Mit dem heutigen Beschluss zur Gründung der Landesanstalt Schienenfahrzeuge steigen wir in die Kommunalisierung der Berliner S-Bahn ein und ziehen die Lehren aus der S-Bahnkrise von 2009. Berlin werden dadurch künftig die S-Bahnzüge gehören, was wegen der günstigeren Finanzierungskonditionen des Landes zu geringeren Kosten führt. Das gesparte Geld setzen wir für die Bestellung von mehr S-Bahnverkehr ein. Also für mehr Züge und dichtere Takte“, so fasst Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher, Bündnis 90/Die Grünen das Gesetz und seine Vorteile zusammen.

Die Bedeutung der juristischen Entscheidung zeigt auch Sven Heinemann, vermögenspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion auf: „Mit der Landesanstalt für S-Bahn-Fahrzeuge wird Berlin künftig den größten kommunalen Fahrzeugpark Deutschlands besitzen.“ Und ergänzt: „Die S-Bahn gehört für uns zur Daseinsvorsorge.“

Welchen Schritt das Land Berlin nun vornehmen muss, erläutert Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher, Linksfraktion im Detail: „Als nächstes sollte der Senat in ernsthafte Verhandlungen mit dem Bund und der Deutschen Bahn als Eigentümer der S-Bahn-Berlin GmbH eintreten, um über eine Übernahme der S-Bahn durch das Land Berlin zu verhandeln.“ Und ergänzt: „Für uns ist klar, dass ein reibungsloser Betrieb der S-Bahn nur dann gewährleistet werden kann, wenn die S-Bahn im Gesamtnetz weiterhin aus einer Hand betrieben wird.“

Aus der Vergangenheit lernen

Dem neuen Gesetz stimmten im Verkehrsausschuss des Parlaments CDU und FDP gemeinsam mit SPD, Linken und Grünen dafür – die AfD enthielt sich. Die große Zustimmung könnte sich aus der Krise der Berliner S-Bahn in 2009 ableiten. Damals hatte der S-Bahn-Mutterkonzern Deutsche Bahn durch ihren harten Sparkurs mit Reduzierung von Personal in Werkstätten, Ausdehnung von Wartungsintervallen und Zügen aus den 1990er Jahren, die nicht langlebig waren einen nachhaltigen Schaden für die Stadtbahn bereitet. Dadurch mussten viele Wägen wegen technischer Mängel aus dem Betrieb genommen werden. Was folgte waren Zugausfälle, Verspätungen und Diskussionen, die S-Bahn mit ihrem Betrieb in die Hände der Stadt zu führen und damit die Monopol-Stellung der Deutschen Bahn mit ihren erhöhten Preisen aufzulösen. Ob dies nun im Rahmen der Ausschreibungen gelingen wird, wird sich zeigen – oder ob die Deutsche Bahn doch alle vier Teillose erhält, aber mit weniger Mitbestimmungsrecht.(kk)