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Anwohner protestieren gegen Pläne für Flüchtlingsheim – Stadt Potsdam missachtet Bürgerrechte
An einem offenen Gespräch mit Herrn Dr. Martin Hintze zeigt der Oberbürgermeister kein Interesse | BERLINboxx

Anwohner protestieren gegen Pläne für Flüchtlingsheim – Stadt Potsdam missachtet Bürgerrechte

24. Mai 2024

Oberbürgermeister Mike Schubert der Lüge bezichtigt

Auf einer Informationsveranstaltung der „Anwohnerinitiative Kirchsteigfeld“ heute Vormittag in der Eleonore-Prochaska-Straße 11 konnte der spontan erschienene Oberbürgermeister Mike Schubert nicht punkten. Vielmehr hatte er den Argumenten der Anwohner, die der Stadt Missachtung der Bürgerrechte durch eine völlig verfehlte Informationspolitik vorwarfen, außer Floskeln nichts entgegenzusetzen. „Die Stadt Potsdam missachtet massiv unsere Bürgerrechte. Hinter unserem Rücken will sie in einem dafür gänzlich ungeeigneten Gebäude ein Flüchtlingsheim einrichten. Dagegen wehren wir uns,“ erklärte ein Vertreter der Anwohnerinitiative Kirchsteigfeld.

Der Protest der Anwohner richte sich gegen die intransparente, widersprüchliche und völlig unzureichende Kommunikation seitens der Stadt. „Wir sind nicht gegen Flüchtlingsheime, aber das dafür vorgesehene Gebäude im Kirchsteigfeld ist denkbar ungeeignet. Es ist das falsche Objekt am falschen Ort.“ Die Anwohnerinitiative werde deshalb weiter mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Fehlplanung im Potsdamer Rathaus kämpfen.

„Wir wurden von der Stadt Potsdam hingehalten und bewusst hinters Licht geführt“, kritisierte der Eigentümer des Nachbarhauses Dr. Martin Hintze. Der durch andere Skandale ins Zwielicht geratene Oberbürgermeister habe dieses Thema bisher komplett ignoriert und sei einfach abgetaucht. Hintze erläuterte den Anwesenden anhand eines Banners die sechs Hauptgründe, warum das Gebäude sich nicht für die geplante Flüchtlingsunterbringung eigne:

  • Verstoß gegen Bebauungsplan: Mischgebiet nicht für soziale Nutzung vorgesehen
  • Brandrisiko: Kein vor- oder rückseitiger Feuerwehrzugang
  • Sicherheitsrisiko: Fluchttüren auf jeder Etage führen direkt ins Nachbargebäude
  • Ungenügender Außenbereich: Zu wenig Platz und keine räumliche Trennung zu Nachbargrundstücken
  • Schmale Zufahrt: Nicht für die Nutzung durch bis zu 100 Personen ausgelegt
  • Unverhältnismäßig hohe Kosten: über 860.000 Euro pro Jahr bei 60 Personen

Offenbar hatte der Oberbürgermeister mit seinem unangemeldeten Erscheinen geplant, die Veranstaltung zu einer Wahlkampfveranstaltung umzumünzen. Damit hatte er sich allerdings gründlich verrechnet. Zahlreiche Anwohner machten ihrem Unmut Luft und wehrten sich gegen die „Überrumpelungstaktik der Stadt.“ Diese hatte erst Monate nach der erteilten Baugenehmigung zu einer Bürgerversammlung eingeladen, zu der wegen Überfüllung viele Bürger keinen Einlass gefunden hatten. „Da war die Messe doch längst gesungen, eine reine Alibiveranstaltung“, so eine erzürnte Anwohnerin.

„Der Oberbürgermeister interessiert sich nicht für uns und unsere Ängste und Sorgen und verkauft uns für dumm“, äußerte sich eine weitere Anwohnerin, die nicht genannt und fotografiert werden wollte.

Auch zu dem Bauantragsverfahren, dass seitens der Stadt lange vor der Bürgerveranstaltung in Gang gebracht wurde und damit gegen die frühzeitige Einbeziehung der Bürger verstieß, gab es von Schubert eine ausweichende Antwort. Mike Schubert: “Ein Bauantragsverfahren läuft nach rechtlichen Normen“. Ein Anwohner kommentierte: „Behördendeutsch, das die Missstände verschleiern soll.“ Entgegen der hoch und heilig versprochenen Maximalzahl von 60 Bewohnern sind in der aktuellen überarbeiteten zweiten Nachtragsgenehmigung vom 5. März 2024 nunmehr 90 Bewohner genehmigt – 50 Prozent mehr als die kommunizierten 60 Bewohner. Kommentar eines Potsdamers: „Die Lügen sind ein weiteres Mal dokumentiert.“

Schubert, gegen den soeben wegen Korruptionsverdachts mindestens die Hälfte der Stadtverordneten einen Abwahlantrag gestellt hatte, sah sich mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. So warf man dem Rathauschef vor, seinen Vertragspartner, den Eigentümer des geplanten Flüchtlingsheims, nicht mit gebotener Sorgfalt überprüft zu haben. Die BERLINboxx hatte recherchiert, dass zum Firmengeflecht des Geschäftsführers der Bauherrin der zukünftigen Flüchtlingsunterkunft, der Eleonore-Prochaska-Str. 11 GmbH, Unternehmen aus den Bereichen Glücksspiel und Leiharbeitervermittlung gehörten. Die Bauherrin ist auch an ihrem Firmensitz nicht erreichbar, wie verschiedene Versuche der Kontaktaufnahme gezeigt haben. Ferner liegen Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch im Zusammenhang mit den bereits begonnenen Umbauarbeiten vor. Zu diesen Sachverhalten wollte sich Schubert gegenüber den anwesenden Bürgern nicht äußern.

Die Menschen im Kirchsteigfeld stellen sich berechtigterweise die Frage, ob so ein anscheinend wenig seriöser Vermieter für den sensiblen Bereich des Flüchtlingswohnens geeignet sei und im Interesse der Flüchtlinge agiere. Daraus ergeben sich letztlich Fragen an den Oberbürgermeister, warum er derart ignorant und verantwortungslos handelt, und ob er die Augen bewusst vor derartigen Missständen verschließt. Ein Anwohner kommentierte das Auftreten von Schubert auf der Veranstaltung mit den Worten: „Wie sagt man so schön, der Fisch stinkt vom Kopfe her.“ (red)